Planung der Flüchtlingszahlen ist wie das „Orakel von Delphi“
Kämmerer Franz Baur rechnet für 2017 mit 600 bis 1200 Neuankömmlingen – Kreis will Umfang der Sozialarbeit bis Anfang 2018 festschreiben
WANGEN (jps) - Angesichts der welt- und europapolitischen Unsicherheiten tut sich die Kreisverwaltung schwer, konkret zu planen, wie viele Flüchtlinge voraussichtlich im kommenden Jahr dem Landkreis Ravensburg zugewiesen werden. Gleichwohl hat Kreiskämmerer Franz Baur die Zahl von 1200 Neuankömmlingen in seinen Haushaltsplan-Entwurf für das Jahr 2017 eingestellt – inklusive der entsprechenden Ausgaben (und Einnahmen).
„Es war letztes Jahr schon das Orakel von Delphi“, erklärte Baur zu diesem Thema, als er in der jüngsten Kreistagssitzung den Etat einbrachte (die SZ berichtete). Das setzt sich nach seiner Schilderung auch für das kommende Jahr fort: „Es gab von keiner Seite Orientierung, mit welchen Zahlen wir zu rechnen haben.“Nichtsdestotrotz stellte die Kämmerei eine Hochrechnung von 1200 Menschen an. „Real rechnen wir mit 600 Personen – aber wir wissen es nicht“, so Baur. Zum Vergleich: Seit April und auch aktuell ist es so, dass so gut wie keine zusätzlichen Flüchtlinge den Landkreis erreichen.
Konkreter sei da schon die Zahl der Menschen zu benennen, die im kommenden Jahr in der Anschlussunterbringung leben. Dabei handelt es sich um Flüchtlinge, die in der Regel bereits länger als ein Jahr in Deutschland beziehungsweise im Landkreis leben. Hier geht Baur von 2500 Personen aus, die zu betreuen sind. Ende Oktober bestand diese Gruppe aus 2000 Menschen, während 2500 noch in der Erstunterbringung waren.
Vor dem Hintergrund dieser Zahlen hat das Landratsamt den Kreisräten ein Papier an die Hand gegeben, das sich mit der Finanzierung der Flüchtlingssozialarbeit befasst. Demnach wird der Personalbestand von 33 Vollzeitstellen des Landratsamts der Städte und Gemeinden sowie der Träger der freien Wohlfahrtspflege erstmals zum 1. Januar 2018 „angepasst“. Bislang gilt noch ein Kreistagsbeschluss, der diesen Personalbestand nur bis zum 30. Juni kommenden Jahres vorsah. Dieser besagt auch, dass die Zuständigkeit des Kreises für die Flüchtlinge 18 Monate nach Beginn der vorläufigen Unterbringung in der Region endet.
„In den meisten Fällen ist zu diesem Zeitpunkt die Integration der geflüchteten Menschen noch nicht abgeschlossen“, begründet die Kreisverwaltung die geplante Fortführung der 33 Vollzeitstellen bis Anfang 2018. Zudem böte der dem Kreistag vorgeschlagene neue Stichtag Kommunen und freien Trägern mehr Sicherheit bei der eigenen Personalplanung.
Halbjährliche Überprüfung
Doch auch über den Jahreswechsel 2017/18 hinaus ist nicht gesagt, dass die Zahl der Flüchtlingssozialarbeiter abnimmt. Denn das Landratsamt schlägt nicht pauschal eine Stellenkürzung vor, sondern eine halbjährliche Überprüfung anhand dann jeweils aktueller Prognosen. Kriterium ist dabei der sogenannte Personalrichtwert. Er sieht eine jeweils Vollzeitstelle für 110 Flüchtlinge vor. Entsprechende Änderungen bei der Stellenzahl soll laut Vorlage immer sechs Monate nach der Überprüfung fällig werden. Gleichwohl hat das Landratsamt – basierend auf der gesunkenen Zahl der Neuankömmlinge – durchgerechnet, wie sich dies in der Praxis auswirkt: Bei pro Monat 50 neu hinzukommenden Menschen reichen demnach Ende 2017 neun – statt der bislang 33 – Vollzeitstellen aus.
Das zu Haushaltsplan gehörende Papier darf als Entgegenkommen der Kreisverwaltung gegenüber den Kommunen gewertet werden. Einige hatten die nur bis Mitte kommenden Jahres festgeschriebene Größenordnung bei der Sozialbetreuung bemängelt, darunter auch die Stadt Wangen.
Inwieweit der Entwurf Realität wird hängt allerdings von den tatsächlichen Zahlen neuer Flüchtlinge ab – und vom Votum des Kreistags. Der wird voraussichtlich in der Sitzung am 14. Dezember über den Haushalt befinden.