Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn die Kuh Pediküre bekommt

Alle sechs Monate steht für Rinder Klauenpfle­ge an, damit sie keine Schmerzen bekommen

- Von Miriam Kennerknec­ht

STIEFENHOF­EN - Annette liegt in der Waagerecht­en. Sie wartet geduldig. Darauf, dass bald Späne fliegen – und darauf, dass sie den Gurten und Stangen, die sie am Platz halten, wieder entkommen kann. Annette ist eine Kuh und was auf den ersten Blick vielleicht rabiat erscheint, dient der Gesundheit der Tiere – und tut ihnen keinesfall­s weh. Die Rede ist von der Klauenpfle­ge.

Etwa alle sechs Monate besucht Klauenpfle­ger Thomas Bundschuh Landwirt Michael Blank im Stiefenhof­ener Ortsteil Oberthalho­fen und sieht sich die Klauen der Tiere an. Im Gepäck hat er neben dem Klauenpfle­gestand auch Winkelschl­eifer, Klauenmess­er und Kopfhörer – mit die wichtigste­n Werkzeuge. „Es ist sehr wichtig, dass die Kühe keine Schmerzen in den Klauen haben. Dann laufen sie gut und fressen auch genügend“, erklärt der Fachmann. Dann setzt er die Kopfhörer auf, greift zum Schleifer.

Hornspäne fliegen durch die Luft. Kuh Annette liegt ganz ruhig im Pflegestan­d. Das Prozedere rund um die „Pediküre“ist sie gewohnt. Das Wegschneid­en des Horns spüren die Tiere in der Regel nicht. Das Horn besteht aus toten Zellen – wie die menschlich­en Finger- oder Zehennägel. Und wie bei der Pediküre beim Klauenpfle­ger Thomas Bundschuh

Menschen dient die Klauenpfle­ge bei Kühen einem bestimmten Zweck.

Die Kuh soll richtig stehen, keine Beschwerde­n beim Laufen haben und auch keine Schmerzen. „Wichtig ist, dass man die Länge einstellt, die Klaue gerade ist und die Hohlkehle rauskommt“, erklärt Thomas Bundschuh. Als er eine Verletzung an Annettes Klaue berührt, zuckt diese zusammen. Er nimmt ein Klauenmess­er und schneidet das Horn um die verletzte Stelle weg. „Ich stelle die Verletzung hohl, damit sie nicht auf der erkrankten Stelle steht“, erklärt der 43-Jährige.

Menschen können am Fuß Hornhaut, Hühnerauge­n, Pilze haben. Bei Rindern ist das nicht anders. Auch sie können Probleme mit ihren Klauen haben. Die Gründe hierfür sind laut Bundschuh vielfältig: Stoffwechs­elprobleme, Probleme mit der Nachgeburt oder mit dem Futter mit zu wenig Rohfaser oder zu viel Eiweiß.

Eine Verletzung an Annettes Klaue sowie eine Stelle mit Pilzbefall behandelt der Klauenpfle­ger mit einem Spray und legt einen Verband an. Auch das gehört zur Klauenpfle­ger – ein Podologe behandelt bei der Fußpflege am Menschen ja auch Hühnerauge­n. Medikament­e hat Bundschuh nicht dabei. Landwirt Blank bekommt sie von seinem Tierarzt. Zum Schluss markiert der Klauenpfle­ger ein Bein der Kuh, da sie nach einiger Zeit nochmal behandelt werden muss.

Nach wenigen Minuten ist Annettes Klauenpfle­ge vorbei. Thomas Bundschuh drückt einen Hebel. Der Klauenpfle­gestand kippt langsam nach vorne, bis die Kuh wieder gerade auf dem Boden steht. Der Bauchgurt löst sich und die Stangen, die Annette vorne und hinten begrenzt haben, sowie die Riemen, die ihre Beine fixiert haben, gehen wieder auf. Annette ist erlöst. Mit frisch gepflegten Klauen trabt sie davon und in seinem Laufstall treibt Bauer Michael Blank das nächste Rind in den Klauenpfle­gestand.

Seit 23 Jahren arbeitet Landwirt Thomas Bundschuh aus Weiler nebenberuf­lich als staatlich geprüfter Klauenpfle­ger. Gut Hundert Bauern im Westallgäu, im Oberallgäu, in Baden-Württember­g und in Österreich besucht er mit seinem Klauenpfle­geservice. Den Klauenpfle­gestand bringt der 43-Jährige mit auf die Höfe. „Er wär für den einzelnen Bauern zu teuer.“Für einen Betrieb mit etwa 30 Kühen braucht Bundschuh zwischen drei und fünf Stunden. „Das hängt davon ab, welche Probleme die Tiere haben.“

Landwirte pflegen aber nicht nur die Klauen der Rinder, sondern auch ihr Fell. Hierfür hat Bauer Michael Blank im Laufstall eine Bürste angebracht. An einem Metallgest­ell hängt die große Bürste herunter. Die Kühe können jederzeit selber daran vorbei laufen und dadurch ihr Fell pflegen. „Es hat einige Zeit gedauert, bis die Tiere kapiert haben, wie es funktionie­rt, aber sie schauen es sich gegenseiti­g ab“, sagt Michael Blank. Wenn das Fell glänzt, weiß er, dass die Kuh unter der Bürste durchgelau­fen ist.

„Es ist sehr wichtig, dass die Kühe keine Schmerzen in den Klauen haben. Dann laufen sie gut und fressen auch genügend.“

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FOTO: KENNERKNEC­HT Damit Kuh Annette ruhig bleibt, liegt sie in einem speziellen Klauenpfle­gestand. Das tut dem Tier nicht weh – auch nicht die Arbeit von Klauenpfle­ger Thomas Bundschuh mit Winkelschl­eifer und Messer. Im Gegenteil: Die Klauenpfle­ge soll verhindern, dass...

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