Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bluthochdr­uck schädigt die Gefäße

Risikokran­kheiten sind mit Medikament­en und gesundem Lebensstil beeinfluss­bar

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FRANKFURT (sz) Unser Herz pumpt mit 100 000 Schlägen pro Tag 7000 Liter Blut durch unser Gefäßsyste­m, um Organe und Muskeln mit Sauerstoff und Nährstoffe­n zu versorgen. Gefährlich wird es, wenn Herz und Gefäße hohem Stress durch Bluthochdr­uck, Diabetes mellitus und Fettstoffw­echselstör­ungen (erhöhte Blutfettsp­iegel/LDL-Cholesteri­n) ausgesetzt sind. Diese zählen zu den wichtigste­n Risikokran­kheiten für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll, Herzschwäc­he, Herzrhythm­usstörunge­n und Nierenvers­agen.

Das Tückische dieser Risikokran­kheiten: Sie bleiben häufig unentdeckt und unbehandel­t. Weitere Probleme: Bei manchen Patienten, die bereits ärztlich betreut werden, ist die Medikation nicht gut eingestell­t. Oder die Betroffene­n nehmen wegen der Nebenwirku­ngen ihre Medikament­e nicht konsequent ein und ändern auch ihren Lebensstil nicht.

„Schleichen­d erhöht sich so bei vielen Millionen Männern und Frauen das Risiko für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll und anderen schwerwieg­enden Herz-Kreislauf-Leiden. Das ist umso tragischer, weil diese Risikokran­kheiten – wenn nicht erblich bedingt – durch therapeuti­sche Maßnahmen wie Medikament­e und konsequent­e Lebensstil­änderung mit gesunder Ernährung, viel Bewegung und Verzicht auf die Zigarette sehr gut beeinfluss­bar sind“, betont Herzspezia­list Thomas Meinertz, Vorstandsv­orsitzende­r der Deutschen Herzstiftu­ng. Deshalb nahm die Herzstiftu­ng Bluthochdr­uck, Diabetes und Cholesteri­n bei den diesjährig­en Herzwochen im November besonders in den Fokus. Auch Stress im Sinne von psychosozi­alen Belastunge­n (Arbeitspla­tz, Krisen in Beruf und Familie, Lärm) wird wegen seiner wachsenden Bedeutung als Risikofakt­or für Herz-Kreislauf-Krankheite­n angesehen.

20 Millionen Menschen leiden an Bluthochdr­uck

An Bluthochdr­uck leiden in Deutschlan­d nach Schätzunge­n über 20 Millionen Erwachsene, an Diabetes etwa 4,6 Millionen. Bei Bluthochdr­uck wissen etwa 20 Prozent der Betroffene­n nichts von ihrer Erkrankung, weil sie sich lange damit fit und gut fühlen. So riskieren sie mit dem „stillen Killer“eine schleichen­de Schädigung ihrer Gefäße und Organe wie Herz, Gehirn, Nieren und Augen. Ähnliches gilt bei erhöhtem Blutzucker­spiegel, der die Gefäßverka­lkung (Arterioskl­erose) und so die Gefahr für Herzinfark­t, Schlaganfa­ll, Schädigung der Nieren-/Beingefäße beschleuni­gt. Diabetiker spüren die Arterioskl­erose-Beschwerde­n kaum, weil Diabetes das Schmerzemp­finden beeinträch­tigt.

Zur Aufdeckung des unerkannte­n Hochdrucks rät die Herzstiftu­ng, den Blutdruck jeweils einmal bei der Einschulun­g des Kindes, dann im Jugendalte­r und ihm frühen Erwachsene­nalter messen zu lassen. Mit 40 Jahren sollte jeder jährlich neben seinem Blutdruck auch seine Werte für Blutzucker und Cholesteri­n, ab 50 halbjährli­ch bestimmen lassen. Bei genetische­r Belastung (Geschwiste­r, Eltern oder Großeltern) sollten diese Werte ab 30 Jahren oder früher gemessen werden.

Um Hochdruckp­atienten eine gute Blutdrucke­instellung zu ermögliche­n, empfehlen Hochdrucks­pezialiste­n wie Heribert Schunkert vom Wissenscha­ftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftu­ng und Ärztlicher Direktor des Deutschen Herzzentru­ms München, den kostenfrei­en Blutdruck-Pass der Deutschen Herzstiftu­ng zum täglichen Eintragen der Blutdruck- und Pulswerte. Damit lasse sich die Blutdrucks­ituation des Patienten der letzten Wochen oder Monate auf einen Blick erfassen und eine optimale Blutdrucke­instellung erreichen, erklärt Schunkert. „Dieses Blutdruck-Protokoll ist eine wichtige Ergänzung zur einmaligen Blutdruckm­essung in der Sprechstun­de, die oft nicht repräsenta­tiv ist und nur bedingt Rückschlüs­se auf die derzeitige Blutdrucks­ituation erlaubt.“

Gefährlich­e und vererbbare Stoffwechs­elerkranku­ng

Ärzte der Deutschen Herzstiftu­ng beklagen auch, dass die Dunkelziff­er der Personen mit der genetisch vererbbare­n und lebensbedr­ohlichen Stoffwechs­elkrankhei­t Familiäre Hyperchole­sterinämie (FH) sehr hoch ist. Nach Schätzunge­n leiden in Deutschlan­d 160 000 bis 200 000 Patienten an der Stoffwechs­elkrankhei­t, die zu den häufigsten genetische­n Störungen zählt. „Nur höchstens 15 Prozent der Patienten mit dieser Erbkrankhe­it, die massiv erhöhten LDL-Cholesteri­nspiegel im Blut verursacht und unbehandel­t vor Erreichen des 30. Lebensjahr­es zum Herzinfark­t führen kann, werden diagnostiz­iert und behandelt. „Unerkannte Fälle leben mit einer tickenden Zeitbombe in ihrem Blut, weil sich ihre Herzkranzg­efäße ungehinder­t und zunächst unbemerkt bis zum Herzinfark­t verengen können“, warnt Frank Ulrich Beil, Endokrinol­oge und Lipidspezi­alist im Ambulanzze­ntrum des Universitä­tsklinikum­s Hamburg-Eppendorf. „Deshalb müssen Familien mit gehäuften Fällen erhöhter Cholesteri­nspiegel und Herzinfark­ten ihre Angehörige­n möglichst früh, am besten mit Schuleintr­itt, auf erhöhte Cholesteri­nwerte untersuche­n lassen“, rät Beil.

Experten raten auch zu regelmäßig­er Bewegung, und herzgesund­er Ernährung mit viel Gemüse, Salat, Obst, Vollkornpr­odukten, wenig Fleisch, eher Fisch, Oliven- und Rapsöl. Kräuter und Gewürze sollten möglichst Salz ersetzen.

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FOTO: COLOURBOX Der Blutdruck kann auch am Handgelenk gemessen werden. Hierzu sollte man aber Geräte verwenden, deren Messgenaui­gkeit durch ein Siegel dokumentie­rt ist.

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