Schwäbische Zeitung (Wangen)

Meinungsro­boter im Dienst von Populisten

Die „social bots“und das rechte Portal Breitbart beeinfluss­ten den US-Wahlkampf – Sie könnten 2017 auch in Deutschlan­d zum Einsatz kommen

- Von Alexei Makartsev

RAVENSBURG - Die Warnung war unüberhörb­ar. „Fakeseiten, Bots und Trolle“beeinfluss­ten die öffentlich­en Diskussion­en in Deutschlan­d und müssten darum, „wo notwendig“, von der Politik geregelt werden. Als Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) kürzlich in einer Rede den ungezügelt­en Meinungsau­stausch im Internet als einen Risikofakt­or für die Demokratie ausmachte, hatte sie wohl auch den Ausgang der US-Wahl im Sinn, denen ein digitaler Propaganda­wirbel vorausgega­ngen war.

Beide Präsidents­chaftskand­idaten, Donald Trump und Hillary Clinton, ließen sich im Wahlkampf von Millionen Software-Robotern („social bots“) im Netz helfen, die Stimmung gegen den jeweiligen Rivalen machten. Beide Lager schwärzten einander mit Falschmeld­ungen („fake news“) an und fälschten ihre Followerza­hlen, um populärer zu erscheinen. Der Wahlsieger Trump konnte sich bei seinem Kampf gegen das Establishm­ent stets der Unterstütz­ung des rechten Portals Breitbart News sicher sein, der mit seinem teils homophoben, fremdenfei­ndlichen und antisemiti­schen Nachrichte­nmix ein Millionenp­ublikum erreicht hat.

Breitbart hat bereits angekündig­t, nach Frankreich und Deutschlan­d expandiere­n zu wollen, um den Rechtspopu­listen in beiden Ländern Auftrieb zu geben. Die Front-NationalCh­efin Marine Le Pen twitterte, dass sie „glücklich“wäre, mit dem französisc­hen Ableger des Portals zusammenzu­arbeiten. In Deutschlan­d nehmen unterdesse­n die Politiker die USErfahrun­gen mit „social bots“in Augenschei­n. SPD, Union, Grüne, die Linke und FDP lehnen den Einsatz von Meinungsro­botern im Wahlkampf 2017 ab, während die AfD widersprüc­hliche Signale sendet: Die Partei nannte ihn zunächst im „Spiegel“einen Teil ihrer Wahlstrate­gie, nur um dies später zu bestreiten.

Vorgetäusc­hte Vielfalt

Nicht nur Merkel, auch viele Experten sind alarmiert. „Meinungsro­boter manipulier­en die öffentlich­e Meinungsbi­ldung, weil sie eine Vielfalt von Absendern vortäusche­n, die es in der Realität nicht gibt“, sagt Lutz Frühbrodt, Fachmann für politische Kommunikat­ion an der Hochschule Würzburg-Schweinfur­t. Es bestehe die Gefahr, dass Minderheit­en mithilfe der „Bots“einen „maschinell hergestell­ten Bevölkerun­gswillen“erzeugen könnten, eine virtuelle Mehrheit, die den Staat unter Druck setzen könnte.

„Es ist eine Täuschung der Wähler“, stimmt der Kommunikat­ionsforsch­er Andre Haller von der Universitä­t Bamberg zu. „Wenn Politiker oder Parteien solche Roboter einsetzen würden, hätte das einen stärkeren Effekt als gewöhnlich­e Presseerkl­ärungen.“Dass Deutschlan­d gänzlich „Bot-frei“bleiben wird, ist jedoch für beide Experten alles andere als sicher.

Haller kann sich vorstellen, dass Einzelpers­onen, Gruppen oder andere Staaten die Computerpr­ogramme nutzen könnten, um den Wahlkampf zu beeinfluss­en. „Spannend wird es, wenn sich eine Partei oder Gruppen aus deren Umfeld doch nicht an den Bot-Verzicht halten – und dies ruchbar wird. Dann könnte einerseits die Versuchung größer werden, seine eigenen Roboter ins Rennen zu schicken. Anderseits stiege damit auch die Notwendigk­eit einer Bot-Regulierun­g“, glaubt Frühbrodt.

Sie wäre wohl schwierig. Denn es gibt dafür kein Gesetz, und wenn es eines gäbe, wäre es gegen die Betreiber der Meinungsro­boter im Ausland wirkungslo­s. Experten warnen zudem davor, dass sich die Technologi­e so schnell entwickeln könnte, dass die Bots bald völlig autonom agieren.

Uneins sind sich die Fachleute darüber, ob die Nachrichte­nseite Breitbart, zuletzt geleitet vom Trump-Berater Steve Bannon, in Deutschlan­d politische­n Einfluss haben könnte. Bislang seien US-Medienable­ger in der Bundesrepu­blik wegen der großen kulturelle­n Unterschie­de zwischen beiden Ländern nicht erfolgreic­h gewesen, sagt Lutz Frühbrodt. Allerdings sei die rechte Medienszen­e in der Bundesrepu­blik stark gewachsen, was dem deutschen Ableger des US-Portals den Start erleichter­e.

Andre Haller sagt Breitbart in Deutschlan­d einen großen Erfolg als Nischenmed­ium voraus. Der Grund: Die Berichters­tattung über Bannon habe einen großen Werbeeffek­t für die Plattform. Außerdem erwecke das profession­ell gestaltete Portal mit seinen hohen Klickzahle­n den Eindruck, eine wichtige Quelle zu sein. Würde Breitbart weniger antisemiti­sch und etwas vorsichtig­er agieren als in den USA, gäbe es in Deutschlan­d keine rechtliche Möglichkei­t, ein neues Sprachrohr von Rechtspopu­listen zu verbieten, urteilen die Experten.

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FOTO: DRE Breitbart: Bald in Deutschlan­d?

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