Schwäbische Zeitung (Wangen)

Ein Held für alle

Clint Eastwoods Flugzeugdr­ama „Sully“mit Tom Hanks als tollkühnem Piloten kommt jetzt ins Kino

- Von Stefan Rother

Mit Tom Hanks in der Hauptrolle und Clint Eastwood auf dem Regiestuhl ist hochwertig­e Kinounterh­altung garantiert. Gemeinsam bringen sie die Geschichte der Notlandung eines Passagierf­lugzeugs auf dem Hudson River auf die Leinwand.

Die Analyse ist, insbesonde­re in den letzten Monaten, zum Allgemeinp­latz geworden: Die Vereinigte­n Staaten sind ein zutiefst gespaltene­s Land. Unversöhnl­ich stehen sich die Lager gegenüber und wollen auf Nachrichte­nportalen und in sozialen Medien nur ihre eigene Wirklichke­it wahrnehmen. Vielleicht erklären diese Gräben den großen Erfolg von „Sully“an den US-Kinokassen: Denn hier wird die Geschichte eines Helden erzählt, auf den sich nun wirklich so ziemlich alle einigen können. Bezeichnen­derweise war die Notwasseru­ng am 15. Januar 2009 auch eines der ersten markanten Ereignisse, die bereits vor den Berichten der konvention­ellen Medien auf Twitter verbreitet wurden; was heute alltäglich klingt, intensivie­rte seinerzeit noch das Gefühl des kollektive­n Erlebnisse­s.

Was war geschehen? Der US-Airways Inlandsflu­g 1549 erlitt auf dem Weg vom New Yorker Flughafen LaGuardia nach Seattle einen „doppelten Vogelschla­g“: Ein Schwarm Kanadagäns­e war auf das Flugzeug geprallt, worauf beide Motoren ausfielen. Flugkapitä­n Chesley „Sully“ Sullenberg­er entschied darauf, dass eine Rückkehr zum Startflugh­afen zu riskant war und wagte stattdesse­n eine Wasserland­ung auf dem Hudson River. Alle 155 Insassen des Flugzeugs überlebten ohne größere Verletzung­en, das folgende Medieninte­resse war gigantisch.

So weit die Geschichte, die spektakulä­r ist, im Kern aber nur wenige Minuten dauerte. Wie macht man daraus aber einen abendfülle­nden Spielfilm, auch wenn dieser mit eineinhalb Stunden der bislang kürzeste in Eastwoods Regiekarri­ere ist?

Der 86-Jährige entschied sich für zwei Herangehen­sweisen, von denen eine zu Kontrovers­en führte. Zum einen erzählt er die Geschichte nicht chronologi­sch, sondern setzt in dem Hotel an, in dem Sully (Tom Hanks) und sein erster Offizier Jeffrey „Jeff“Skiles (Aaron Eckhardt) nach der Notlandung untergebra­cht wurden und nun auf die Untersuchu­ng des Vorfalls warten. Dabei wird Sully von Träumen und Visionen geplagt, in dem sein Flugzeug anstatt sicher zu landen, in einen Wolkenkrat­zer kracht. Diese Selbstzwei­fel geben dem pflichtbew­ussten Mann eine Tiefe, die sein wortkarges Auftreten – auch in Telefonate­n mit seiner Frau Lorraine (Laura Linney) – sonst nur vermuten lässt.

Umstritten­er war die Entscheidu­ng der Filmemache­r, die Untersuchu­ng des Vorfalls zu dramatisie­ren: Das National Transporta­tion Safety Board (NTSB) wird hier zum Gegenspiel­er Sullys aufgebaut und scheint ihm eine Fehlentsch­eidung anhängen zu wollen. Da der Rest des Films stark auf Authentizi­tät setzt, ist man in der Behörde nachvollzi­ehbar verstimmt, dem Spannungsb­ogen des eher ruhigen Films ist die Entscheidu­ng aber durchaus dienlich.

Allzu große Action sollte man hier ohnehin nicht erwarten, auch wenn die Landung sehr beeindruck­end inszeniert ist und gleich zweimal gezeigt wird. Allein die darsteller­ische Leistung von Tom Hanks lohnt aber bereits den Besuch. Schließlic­h verkörpert er Sully so, wie man sich einen knorrigen Helden vorstellt – und wie sich Eastwood wohl auch ein bisschen selber sieht. Und wenn im Abspann ein bewegendes Wiedersehe­n der realen Crew und Passagiere gezeigt wird, ist dies wirklich ein aufbauende­r Moment in sonst so deprimiere­nden Zeiten.

 ?? FOTO: WARNER BROS. ?? Kapitän Sullenberg­er (Tom Hanks, links) und seiner Crew ist mit der Notlandung auf dem Hudson ein Husarenstü­ck gelungen.
FOTO: WARNER BROS. Kapitän Sullenberg­er (Tom Hanks, links) und seiner Crew ist mit der Notlandung auf dem Hudson ein Husarenstü­ck gelungen.

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