Ein Held für alle
Clint Eastwoods Flugzeugdrama „Sully“mit Tom Hanks als tollkühnem Piloten kommt jetzt ins Kino
Mit Tom Hanks in der Hauptrolle und Clint Eastwood auf dem Regiestuhl ist hochwertige Kinounterhaltung garantiert. Gemeinsam bringen sie die Geschichte der Notlandung eines Passagierflugzeugs auf dem Hudson River auf die Leinwand.
Die Analyse ist, insbesondere in den letzten Monaten, zum Allgemeinplatz geworden: Die Vereinigten Staaten sind ein zutiefst gespaltenes Land. Unversöhnlich stehen sich die Lager gegenüber und wollen auf Nachrichtenportalen und in sozialen Medien nur ihre eigene Wirklichkeit wahrnehmen. Vielleicht erklären diese Gräben den großen Erfolg von „Sully“an den US-Kinokassen: Denn hier wird die Geschichte eines Helden erzählt, auf den sich nun wirklich so ziemlich alle einigen können. Bezeichnenderweise war die Notwasserung am 15. Januar 2009 auch eines der ersten markanten Ereignisse, die bereits vor den Berichten der konventionellen Medien auf Twitter verbreitet wurden; was heute alltäglich klingt, intensivierte seinerzeit noch das Gefühl des kollektiven Erlebnisses.
Was war geschehen? Der US-Airways Inlandsflug 1549 erlitt auf dem Weg vom New Yorker Flughafen LaGuardia nach Seattle einen „doppelten Vogelschlag“: Ein Schwarm Kanadagänse war auf das Flugzeug geprallt, worauf beide Motoren ausfielen. Flugkapitän Chesley „Sully“ Sullenberger entschied darauf, dass eine Rückkehr zum Startflughafen zu riskant war und wagte stattdessen eine Wasserlandung auf dem Hudson River. Alle 155 Insassen des Flugzeugs überlebten ohne größere Verletzungen, das folgende Medieninteresse war gigantisch.
So weit die Geschichte, die spektakulär ist, im Kern aber nur wenige Minuten dauerte. Wie macht man daraus aber einen abendfüllenden Spielfilm, auch wenn dieser mit eineinhalb Stunden der bislang kürzeste in Eastwoods Regiekarriere ist?
Der 86-Jährige entschied sich für zwei Herangehensweisen, von denen eine zu Kontroversen führte. Zum einen erzählt er die Geschichte nicht chronologisch, sondern setzt in dem Hotel an, in dem Sully (Tom Hanks) und sein erster Offizier Jeffrey „Jeff“Skiles (Aaron Eckhardt) nach der Notlandung untergebracht wurden und nun auf die Untersuchung des Vorfalls warten. Dabei wird Sully von Träumen und Visionen geplagt, in dem sein Flugzeug anstatt sicher zu landen, in einen Wolkenkratzer kracht. Diese Selbstzweifel geben dem pflichtbewussten Mann eine Tiefe, die sein wortkarges Auftreten – auch in Telefonaten mit seiner Frau Lorraine (Laura Linney) – sonst nur vermuten lässt.
Umstrittener war die Entscheidung der Filmemacher, die Untersuchung des Vorfalls zu dramatisieren: Das National Transportation Safety Board (NTSB) wird hier zum Gegenspieler Sullys aufgebaut und scheint ihm eine Fehlentscheidung anhängen zu wollen. Da der Rest des Films stark auf Authentizität setzt, ist man in der Behörde nachvollziehbar verstimmt, dem Spannungsbogen des eher ruhigen Films ist die Entscheidung aber durchaus dienlich.
Allzu große Action sollte man hier ohnehin nicht erwarten, auch wenn die Landung sehr beeindruckend inszeniert ist und gleich zweimal gezeigt wird. Allein die darstellerische Leistung von Tom Hanks lohnt aber bereits den Besuch. Schließlich verkörpert er Sully so, wie man sich einen knorrigen Helden vorstellt – und wie sich Eastwood wohl auch ein bisschen selber sieht. Und wenn im Abspann ein bewegendes Wiedersehen der realen Crew und Passagiere gezeigt wird, ist dies wirklich ein aufbauender Moment in sonst so deprimierenden Zeiten.