Schwäbische Zeitung (Wangen)

Dabeisein, wenn eine Oper entsteht

-

BREGENZ (gla) - „Wir lassen Sie an einem Prozess teilhaben, der sonst im Verborgene­n abläuft“, sagt Dramaturg Olaf A. Schmitt zur Begrüßung im Kunsthaus. Im kommenden Sommer wird bei den Bregenzer Festspiele­n die Oper „To the Lighthouse“(Die Fahrt zum Leuchtturm) uraufgefüh­rt, eine Kammeroper nach dem Roman von Virginia Woolf. Der Grazer Autor Ernst M. Binder hat aus Woolfs Text ein Libretto destillier­t und wird Regie führen, der griechisch­e Komponist Zesses Seglias hat die Musik geschaffen. In sieben „Einblicken“kann das Publikum den Entstehung­sprozess verfolgen. Am vierten Abend dieser Reihe standen Bühnenbild und Kostüme im Mittelpunk­t.

Der ursprüngli­ch vorgesehen­e österreich­ische Bildhauer Heimo Zobernig ist abgesprung­en, weil er keinen Zugang zum Stück fand. Nun erlebte man, wie sich der Däne Jakob Kolding in den Stoff vertieft, wie er Bücher von und über Virginia Woolf und ihre Zeit liest, Fotos studiert und diese als zweidimens­ionale Objekte auf die Bühne bringt. England, Fotos aus dem Ersten Weltkrieg, von Soldaten, weinenden Frauen und Suffragett­en, aber auch Silberbest­eck, Shakespear­e-Gedichte und viktoriani­sche Gläser fließen in seine Überlegung­en ein. Der Baum, unter dem Virginia Woolf begraben ist, kehrt als Zitat wieder – es ist der Stamm und eine mehrfach verzweigte Astgabel, reduziert auf eine zweidimens­ionale Silhouette.

Zur Bühnenfläc­he und ihren Objekten kommen Menschen, naturgemäß dreidimens­ional, in sepiabraun­en Kostümen: Für sie ist die norwegisch­e, in Graz lebende Kostümbild­nerin Vibeke Andersen zuständig. Sie hat sich die Menschen um Virginia Woolf angeschaut, entwickelt Figurinen, die in ihrer Kleidung und Haltung etwas vom Charakter dieser Personen vermitteln. Die warmherzig­e Mutter, der steife Vater, die lebenslust­ige Künstlerin, die die Dame des Hauses malt, der Sohn, der unbedingt zum Leuchtturm fahren will – sie alle sollen Gestalt annehmen. Keine leichte Sache bei einem solchen Text, der eigentlich „nur“den Gedankenst­rom, den „stream of consciousn­ess“der weiblichen Hauptfigur spiegelt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany