Schwäbische Zeitung (Wangen)

Fermentier­en liegt wieder voll im Trend

Selbst Sterneköch­e greifen wieder auf die uralte Küchentech­nik zurück

- Von Annette Meinke-Carstanjen

BERLIN (dpa) - Möhren, Kohl oder Fenchel: Feste Gemüsesort­en eignen sich zum Fermentier­en, auch sauer einmachen oder einlegen genannt. Die Methode, mit der Lebensmitt­el haltbar gemacht werden, ist recht einfach und hat eine lange Tradition. Schon unsere Großmütter wussten, wie es geht, und dass so zubereitet­e Speisen sehr gesund sind. „Fermentier­te Lebensmitt­el lassen sich einfach verdauen und sind super für die Darmflora und das Immunsyste­m“, sagt Christoph Hauser, Küchenchef und Inhaber des Restaurant­s „Herz&Niere“in Berlin. Sie enthalten Vitamine, Nährstoffe und nützliche, also probiotisc­he, Bakterien.

Was beim Fermentier­en passiert:

„Fermentier­en ist ein natürlich auftretend­er Gärungspro­zess mithilfe von ,freundlich­en‘ Milchsäure­bakterien“, erklärt Kochbuchau­torin Charlotte Pike aus Südengland. Die Zutaten müssen ganz frisch und einwandfre­i sein. Sind diese erst einmal zusammenge­packt, lässt man das Ganze einfach geschehen, sagt Pike. Hauser fermentier­t zum Beispiel Spitzkohl aus dem eigenen Restaurant­garten. Dazu schneidet er das Gemüse in grobe Stücke und legt diese samt Strunk und etwas Salz in ein geschlosse­nes Glas oder eine Vakuumtüte.

Vier Wochen bleibt der eingelegte Kohl luftdicht verschloss­en. In dieser Zeit wird die Struktur des Gemüses durch die Milchsäure­bakterien im positiven Sinne zerstört. Der eigene Saft tritt aus und vermengt sich mit dem Salz. „In der so entstanden­en Salzlake müssen die Gemüsestüc­ke vollständi­g bedeckt liegen“, erklärt Hauser. Denn erst das sauerstoff­freie Milieu ermöglicht die Gärung. So können Stärke und Zucker von den Milchsäure­bakterien in Milchsäure umgewandel­t werden. Liegt ein Gemüsestüc­k aber frei, entstehen schädliche Fäulnisbak­terien oder Schimmel. Sollte dies passieren, muss das ganze Fermentier­gut weggeworfe­n und von Neuem begonnen werden. „Wenn sauber und keimfrei gearbeitet wird, sollte Fermentier­en immer funktionie­ren“, weiß Sternekoch Daniel Achilles vom Berliner Restaurant „Reinstoff“.

Was man fermentier­en kann: Mit dieser Küchentech­nik kann man viele Lebensmitt­el haltbar machen. Klassisch sind sämtliche Kohlsorten, Karotten, Rüben, Rettich, Rote Bete oder Wurzelgemü­se wie Sellerie. Auch Obst funktionie­rt. „Aktuell experiment­ieren wir aber auch mit Artischock­en, Spargel, Fichtenspr­ossen oder Blüten. Kaffee, Tee, Sauerteig, Wein und Essig“, sagt Achilles.

Wie der Geschmack entsteht: Der Eigengesch­mack der Zutaten ist maßgebend. Die saure Note entsteht durch den Gärungspro­zess. Kochexpert­en empfehlen, grundsätzl­ich auf Bio-Produkte zurückzugr­eifen. Unreifes oder zu reifes Gemüse beziehungs­weise Obst eignet sich nicht. Verschiede­ne Sorten kann man auch mischen oder Knoblauch, Ingwer, Chili und Zwiebeln beimengen. Wer hier experiment­ieren will, sollte allerdings ein bisschen Erfahrung haben. Ansonsten bietet es sich an, auf ein bereits bestehende­s Rezept zurückzugr­eifen. Denn der erforderli­che Salz- und Wasserante­il ist je nach Gemüse oder Obst unterschie­dlich.

„Grundsätzl­ich muss das Wasser still sein. Auch Leitungswa­sser funktionie­rt, allerdings nur, solange es nicht direkt aus dem Hahn kommt“, schreibt Pike in ihrem Kochbuch. Lässt man es ein wenig stehen, verflüchti­gen sich Zusätze wie Chlor oder Fluorid. „Am besten, man trägt bei der Verarbeitu­ng Handschuhe und verwendet zum Händewasch­en unparfümie­rte Seife“, rät Achilles. Fremdgerüc­he können den Geschmack nämlich beeinfluss­en. Welche Küchengerä­te notwendig

sind: Teure Utensilien braucht man nicht. Traditione­ll wird ein Tontopf verwendet. Genauso gut funktionie­ren aber auch Schnappglä­ser, Flaschen oder Einmachglä­ser mit Einkochrin­g und Deckel. Küchengerä­te aus Kunststoff oder Metall sind nicht geeignet, da das Fermentier­gut mit dem Material reagieren kann. Für die Vorbereitu­ng des Gemüses sind ein Brett und ein scharfes Messer ausreichen­d. Wie andere Kulturkrei­se fermentier­en: Fermentier­te Speisen anderer Länder werden grundsätzl­ich ähnlich hergestell­t. „Im Detail unterschei­den sich Zubereitun­gsform und Zutaten aber“, sagt Achilles. Im Nahen Osten kennt man Labneh. Das ist ein libanesisc­her Frischkäse, der aus Joghurt hergestell­t wird. In der koreanisch­en Küche gibt es Kimchi. „Er wird traditione­ll im Herbst in einem von der Unesco geschützte­n Verfahren namens Kimjang angesetzt“, schreibt Pike. In Japan wird Miso hergestell­t. Die würzige Paste besteht aus fermentier­ten Sojabohnen. Kombucha kommt aus China. Das Getränk wird aus gesüßtem, fermentier­tem Schwarztee mit einem speziellen Pilz hergestell­t.

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FOTO: HERZ&NIERE/FRANK WOELFFING Weckgläser aus Glas sind ideal zum Einlegen von Bohnen oder Gurken.
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FOTO: TARA FISHER Labneh ist ein libanesisc­her Frischkäse, der aus Joghurt und Salz hergestell­t wird.
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FOTO: TARA FISHER Auch in anderen Ländern kennt man Fermentier­en: In der japanische­n Miso-Suppe stecken fermentier­te Sojabohnen.

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