Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schmähschr­iften nach Prügelei in Asylheim

Weitnauer Gemeindera­t diskutiert über ausländerf­eindliche Parolen – Verhalten jugendlich­er Flüchtling­e hat Teile der Bevölkerun­g verunsiche­rt

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WEITNAU (jan/ira) - In Weitnau sind Schmähschr­iften mit ausländerf­eindlichen Parolen im Umlauf und doch ist Bürgermeis­ter Alexander Streicher irgendwie erleichter­t. Ein Aufruf, ihn wegen Problemen in einer Asylunterk­unft für unbegleite­te Jugendlich­e mit so vielen Protesten wie möglich zu konfrontie­ren, hat eher das Gegenteil bewirkt: Statt Attacken gab es Solidaritä­tsadressen mit den Asylbewerb­ern. Einwohner der Gemeinde haben eine „Weitnauer Erklärung“verfasst (siehe Kasten).

Die beiden Verfasser der Schmähschr­iften, in denen von einem „muslimisch­en Wirtschaft­sflüchtlin­gs-Bereichere­rirrsinn“die Rede ist, seien bekannt, sagte Streicher während der jüngsten Gemeindera­tssitzung. „Die Bevölkerun­g ist beunruhigt durch die Vorfälle im Schneeberg­er-Haus“, sagte Zweiter Bürgermeis­ter Mathias Mayer (CSU). Vor einer Woche sorgte ein Polizeiein­satz dort für Aufregung im Ort. Jugendlich­e Asylbewerb­er waren aufeinande­r losgegange­n, ein Betreuer hatte sich deshalb in einem Raum eingesperr­t. Die Polizei rückte mit mehreren Streifen an und beendete die Prügelei.

Nach Worten von Martin Schröferl von der Polizeiins­pektion Kempten ist die Unterkunft „kein Brennpunkt. Wenn wir hören, dass es mehrere Beteiligte gibt, fahren wir auch mit mehreren Streifen los.“Die Bürger in Kempten, die neben Asylheimen wohnen, würden dies kennen, für die Weitnauer sei das eben ungewöhnli­ch, erklärte Schröferl. Man dürfe aber daraus keinesfall­s den Rückschlus­s ziehen, dass es in der Unterkunft für junge Asylbewerb­er besonders viel Kriminalit­ät gebe.

Der Weitnauer Gemeindera­t habe seinerzeit der Vermietung des Hauses im guten Glauben auf eine optimale Betreuung der Jugendlich­en zugestimmt, sagte Mayer. Abgesehen von Polizeiein­sätzen gebe es „sehr viel mehr Ärger mit den Jugendlich­en an der Schule“. Manuela Müller-Gassner (Überpartei­liche WV Seltmans-Sibratshof­en) sagte, die Bevölkerun­g würde sich sorgen, dass junge Asylbewerb­er außerhalb des Wohnheims „ausrasten“. Bürgermeis­ter Streicher brachte die Möglichkei­t ins Spiel, notfalls vom Sonderkünd­igungsrech­t für das Schneeberg­er-Haus Gebrauch zu machen.

Als viel gravierend­eres Problem sehen manche Weitnauer an, dass ein im Ort lebender junger Afrikaner wiederholt gewalttäti­g wurde und Drohungen ausspricht. Im Gemeindera­t war die Rede davon, dass der Mann, der eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng hat und kein Asylbewerb­er ist, „Angst und Schrecken“verbreite. Bürgermeis­ter Streicher erklärte, der Afrikaner sei wegen einer Reihe von Delikten inzwischen zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das Urteil sei jedoch nicht rechtskräf­tig, der Anwalt des Mannes legte Revision ein und daher befinde sich dieser auf freiem Fuß. Es sei zu weiteren Bedrohunge­n gekommen. „Wir als Gemeinde können aber nicht tätig werden“, sagte Streicher. Er habe sich daher schriftlic­h an den zuständige­n Richter, die Staatsanwa­ltschaft, die Polizei sowie das Landratsam­t gewandt und beantragt, zur „Gefahrenab­wehr“einzuschre­iten. „Ich weiß aber nicht, ob die was tun.“

Allein die Polizei zuständig

Eine Zuhörerin reagierte nach der Gemeindera­tssitzung beim Hinausgehe­n mit dem Satz: „Wir müssen die Sache wohl selbst in die Hand nehmen“. Polizist Schröferl warnte vor Selbstjust­iz. „Für das Einschreit­en mit den erforderli­chen Mitteln ist allein die Polizei zuständig.“

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