Krumme Geschäfte mit Baumaschinen
Angeklagter Geschäftsführer aus dem Kreis Ravensburg will nichts von Betrug gewusst haben
STUTTGART - Vor der 10. Großen Wirtschaftskammer des Stuttgarter Landgerichts muss sich seit Mittwoch ein 53-Jähriger unter anderem wegen Betrug und Insolvenzverschleppung verantworten. Die Staatsanwaltschaft spricht von einer Schadenssumme von 3,7 Millionen Euro – nachdem bereits Gelder zur Wiedergutmachung geflossen sind. Über Jahre hinweg war der Angeklagte Geschäftsführer mehrerer Unternehmen einer Firmengruppe. Dreh- und Angelpunkt der Vorgänge ist ein Firmensitz im Landkreis Ravensburg. Ein 63-jähriger Mit-Geschäftsführer einer der Firmen mit Sitz im nördlichen Thüringen steht ebenfalls vor Gericht. Beide verweisen auf den Firmengründer, den Vater des 53-Jährigen, als Verursacher allen Übels. Der ist zwischenzeitlich an einem Krebsleiden verstorben.
Das Geschäftsmodell der verschiedenen Firmen soll ähnlich gewesen sein: Kräne und Bagger wurden vermietet und wenn gewünscht auch verkauft. Dabei sollen die Firmen laut Anklage auch Maschinen verkauft haben, die ihnen gar nicht gehörten, sondern nur geleast waren. Kamen Leasingfirmen zur Kontrolle vorbei, wurden eiligst Mietverträge erfunden, um vorzugaukeln, dass tatsächlich verkaufte Maschinen nur vermietet seien.
Als ein solcher Fall bekannt wurde, kündigte der Baumaschinenhersteller Liebherr mit Sitz im Landkreis Biberach den Firmen 2009 die Händlerverträge auf. Die Geschäftsführer fanden weitere Baumaschinenhersteller als Ersatz. Und sie trieben ihr Geschäft fort. Als es den Firmen nach der Kündigung von Liebherr nicht gut ging, wurden die Bilanzen aufgehübscht – indem sich die Firmen gegenseitig Maschinen verkauften oder vermieteten, die es mitunter gar nicht gab. „Bilanzlifting“, nennt das Richter Wolfgang Schwarz.
Obwohl laut Staatsanwaltschaft schon Mitte 2009 die Zahlungsunfähigkeit bestanden habe, meldete der 53-Jährige erst im Mai 2011 Insolvenz an. Und in der Zwischenzeit schütteten die Firmen ihren Gesellschaftern – unter anderem dem Angeklagten und seinem Vater – weiter Gewinne aus.
Von all diesen Vorgängen will der 53-jährige Angeklagte nichts gewusst haben. Mehr als eine Stunde erzählt er, wie er, der diplomierte Wirtschaftswissenschaftler, von seinem Vater gedrängt worden sei, ins Familienunternehmen einzusteigen. Immer wieder muss der groß gewachsene, vierfache Familienvater seine Ausführungen unterbrechen, weil ihm die Tränen kommen. Er beschreibt, wie er emotional von seinem Vater abhängig war, wie er ihm gänzlich vertraute.
Naiv und gutgläubig
In die Buchhaltung habe er sich nie eingemischt. Er selbst habe lediglich den Vertrieb verantwortet. Habe sein Vater ihm, dem Mit-Geschäftsführer, Dokumente zum Unterschreiben vorgelegt – etwa Jahresbilanzen –, habe er diese unterschrieben, ohne auch nur reinzulesen. „Ich war naiv, gutgläubig. Ich habe ihm einfach vertraut“, sagt der 53-Jährige.
„Ich will wissen: Was haben Sie wann gewusst?“, betont Richter Schwarz und spricht immer wieder die Ausbildung des Angeklagten als Wirtschaftswissenschaftler an. Als solcher müsse er wissen, dass er sich mit einer Unterschrift verantwortlich für den Inhalt macht. Er müsse doch einen Antrieb gehabt haben, nachzufragen, wenn er misstrauisch geworden sei. Etwa dann, als frühere Mit-Gesellschafter ihre Anteile loswerden wollten, es Streit um die Verkaufssumme gab und die Gesellschafter von einem Gang zum Staatsanwalt sprachen. „Zum Schlichten rennt man doch nicht zur Staatsanwaltschaft“, so Richter Schwarz. Oder als der konkrete Fall ans Licht kam, der für Liebherr Anlass war, sich von der Firma zu lösen. Nicht erst als der 53-Jährige 2011 den Insolvenzantrag gestellt hat.
Wie der 53-Jährige beteuert auch der 63-jährige Angeklagte aus Thüringen, dass allein der Vater des Jüngeren stets gesagt habe, was gemacht werde. Und sonst niemand.
Die Frage, wer wann was wusste, wird das Gericht noch länger beschäftigen. Bislang sind 16 weitere Verhandlungstermine angesetzt.