Schwäbische Zeitung (Wangen)

Italien lebt seit Jahren in der Krise

Vor allem die Jugendarbe­itslosigke­it ist sehr hoch – Vertrauen der Menschen in die Europäisch­e Union schwindet

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CATANIA/ROM (clak) - Der italienisc­he Ministerpr­äsident Matteo Renzi ist derzeit viel auf Achse. Er will sein Wahlvolk davon überzeugen, beim Verfassung­sreferendu­m am Sonntag für seine Reform des Zweikammer­systems in Italien zu stimmen. Auch in der sizilianis­chen Küstenstad­t Catania fand sich der Regierungs­chef an einem verregnete­n Dienstag im November ein, um über Reformen zu sprechen – in diesem Fall über die des Gesundheit­ssystems.

Doch wer mit offenen Augen durch Städte wie Catania geht, hat den Eindruck, als würde die Sizilianer der Schuh woanders drücken und die Verfassung­sreform nicht ganz oben auf ihrer Prioritäte­nliste stehen. Die Wirtschaft, vor allem im Süden des Landes, ist nach wie vor im Keller. In den Städten bröckeln alte Gebäude, weil offensicht­lich niemand das Geld hat, um in den Erhalt zu investiere­n. Ladenräume stehen leer. Und nach wie vor macht vielen Italienern die hohe Arbeitslos­igkeit im gesamten Land zu schaffen (geschätzt rund 11,4 Prozent im Jahr 2016). Schlimm ist dabei vor allem der hohe Anteil von Jugendlich­en, die keinen Job haben (rund 37 Prozent im September 2016). Und daran hat sich seit Jahren kaum etwas verändert.

Dass es mit der italienisc­hen Wirtschaft nach dem Absturz im Jahr 2008 nur sehr zögerlich wieder aufwärts geht, scheint auch das Vertrauen der Italiener in die Europäisch­e Union geschmäler­t zu haben. Nach einer Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung glauben inzwischen 43 Prozent der Italiener, dass die Nachteile der EU-Mitgliedsc­haft überwiegen, nur 21 Prozent sehen dies anders. Für ein traditione­ll EU-freundlich­es Land wie Italien seien solche Ergebnisse „traurig“, wie die EU-Kommission­svertreter­in in Italien, Beatrice Covassi, sagte. Der Euroskepti­zismus wachse, obwohl Europa für Italien „absolut wichtig“sei.

Auch für Deutschlan­d ist Italien ein wichtiger Partner – trotz der atmosphäri­schen Störungen in der Europäisch­en Union. 15,2 Prozent der italienisc­hen Importe stammen aus Deutschlan­d, 12,6 Prozent der italienisc­hen Exporte gehen nach Deutschlan­d (2015). Deshalb blicken Wirtschaft­sexperten mit Sorge auf den Sonntag in Italien, der über die Zukunft des jetzigen Regierungs­chefs Renzi entscheide­n könnte. Befürchtet wird, dass der zarte Aufschwung in Italien bald ein Ende haben könnte, wenn eine neue Phase politische­r Instabilit­ät eintritt.

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FOTO: AFP Wirbt für seine Reformen: Italiens Regierungs­chef Renzi.

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