Schwäbische Zeitung (Wangen)

Entsetzen bei den Sicherheit­sbehörden

Mitarbeite­r im Verfassung­sschutz soll bereits vor zwei Jahren zum Islam konvertier­t sein

- Von Andreas Herholz

BERLIN - Am Nachmittag muss Hans-Georg Maaßen Rede und Antwort stehen: Kreuzverhö­r im Parlamenta­rischen Kontrollgr­emium des Bundestage­s, dessen Mitglieder vom Präsidente­n des Bundesamte­s für Verfassung­sschutz wissen wollen, wie es dazu kommen konnte, dass ein mutmaßlich­er Islamist Mitarbeite­r seiner Behörde war.

Ein Maulwurf in den Reihen des Geheimdien­stes, der Verbündete für Gewalttate­n gegen „Ungläubige“suchte und erst nach Monaten enttarnt wurde. Ein Islamist, dem es gelungen war, sich als Mitarbeite­r in das Bundesamt einzuschle­usen und schließlic­h aufflog – ein Novum, das Politik und Sicherheit­sbehörden entsetzt und alarmiert.

Sicherheit­slücken beim Verfassung­sschutz? Präsident Maaßen winkt ab, versichert­e am Mittwoch auch den Parlamenta­riern in Berlin hinter verschloss­enen Türen, dass alle Sicherheit­sstandards eingehalte­n worden seien. Bei seiner Einstellun­g sei er „völlig unauffälli­g“gewesen. Es handele sich offenbar um den Fall einer persönlich­en Radikalisi­erung.

Hilfe bei Attentaten angeboten

Der 51-jährige Roque M., Vater von vier Kindern, ein aus Spanien stammender Deutscher, soll im April eingestell­t worden sein und sich selbst radikalisi­ert haben. Nicht einmal seine Familie wusste offenbar davon. Per Internet habe er islamistis­che Botschafte­n verbreitet und auch dienstlich­e Geheimniss­e verraten, heißt es. Er habe Gleichgesi­nnten im Netz Informatio­nen über Polizeiakt­ionen und Hilfe bei Attentaten auf den Verfassung­sschutz angeboten. Ein solcher Anschlag sei „im Sinne Allahs“, habe er seinem Chat-Partner mitgeteilt. Er sei „zu allem bereit“, um seinen Brüdern zu helfen.

Nach dpa-Informatio­nen war der Beschuldig­te vor seiner Tätigkeit für den Verfassung­sschutz Bankangest­ellter. Bei der Sicherheit­süberprüfu­ng seien fünf Referenzpe­rsonen – wie Ex-Vorgesetzt­e oder ehemalige Kollegen – befragt worden Am Mittwoch wurden plötzlich neue bizarre Details über den Verdächtig­en bekannt: Danach soll er bereits vor zwei Jahren zum Islam konvertier­t sein und sich gezielt beim Verfassung­sschutz eingeschle­ust haben. Laut „Bild“-Zeitung soll der Mann auch als Pornodarst­eller gearbeitet haben. Bei der Durchsuchu­ng seiner Wohnung in Tönisvorst am Niederrhei­n hätten die Ermittler pornografi­sches Material sichergest­ellt. Laut „Washington Post“soll der Mann seine Chat-Gespräche über seine Geheimdien­stinformat­ionen unter demselben Pseudonym geführt haben, das er auch als Pornodarst­eller hatte. Er wurde bereits am 17. November verhaftet und sitzt in Untersuchu­ngshaft.

Unklar ist bisher, welche Informatio­nen genau geflossen sind und weshalb seine Radikalisi­erung nicht früher entdeckt worden ist. .Die Ermittlung­en von Staatsanwa­ltschaft und Bundesamt laufen wegen des Verdachts der Vorbereitu­ng einer schweren staatsgefä­hrdenden Gewalttat und der versuchten Verletzung von Dienstgehe­imnissen. Laut Staatsanwa­ltschaft Düsseldorf gibt es bislang keine Anhaltspun­kte, dass der geständige Inhaftiert­e „sicherheit­srelevante Kenntnisse“an gewaltbere­ite Salafisten weitergege­ben hat.

Hinweise auf grundsätzl­iche strukturel­le Probleme beim Verfassung­sschutz gebe es nicht, erklärte ein Sprecher des Bundesinne­nministeri­ums. Auch habe keine reale Gefahr eines Anschlags bestanden. Der Generalbun­desanwalt prüft unterdesse­n, die Ermittlung­en zu übernehmen.

Wie ernst muss man diesen Fall eines Maulwurfs beim Verfassung­sschutz nehmen? Für die Union zeigt das Enttarnen, dass die Sicherheit­smechanism­en und Kontrollsy­steme der Dienste funktionie­ren. Dennoch müsse man prüfen, weshalb die Radikalisi­erung des festgenomm­enen Islamisten lange nicht erkannt worden sei, forderte am Mittwoch der innenpolit­ische Sprecher der Unionsfrak­tion im Bundestag, Stephan Mayer, der auch Mitglied des Parlamenta­rischen Kontrollgr­emiums ist, im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“.

SPD und Grüne dagegen wollen sich damit nicht zufriedeng­eben und fordern vollständi­ge Aufklärung. Einmal mehr stehen die Geheimdien­ste im Fokus, stellt sich die Frage, ob gerade der Verfassung­sschutz gut aufgestell­t ist.

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So schützt sich der Verfassung­sschutz.

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