Entsetzen bei den Sicherheitsbehörden
Mitarbeiter im Verfassungsschutz soll bereits vor zwei Jahren zum Islam konvertiert sein
BERLIN - Am Nachmittag muss Hans-Georg Maaßen Rede und Antwort stehen: Kreuzverhör im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestages, dessen Mitglieder vom Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz wissen wollen, wie es dazu kommen konnte, dass ein mutmaßlicher Islamist Mitarbeiter seiner Behörde war.
Ein Maulwurf in den Reihen des Geheimdienstes, der Verbündete für Gewalttaten gegen „Ungläubige“suchte und erst nach Monaten enttarnt wurde. Ein Islamist, dem es gelungen war, sich als Mitarbeiter in das Bundesamt einzuschleusen und schließlich aufflog – ein Novum, das Politik und Sicherheitsbehörden entsetzt und alarmiert.
Sicherheitslücken beim Verfassungsschutz? Präsident Maaßen winkt ab, versicherte am Mittwoch auch den Parlamentariern in Berlin hinter verschlossenen Türen, dass alle Sicherheitsstandards eingehalten worden seien. Bei seiner Einstellung sei er „völlig unauffällig“gewesen. Es handele sich offenbar um den Fall einer persönlichen Radikalisierung.
Hilfe bei Attentaten angeboten
Der 51-jährige Roque M., Vater von vier Kindern, ein aus Spanien stammender Deutscher, soll im April eingestellt worden sein und sich selbst radikalisiert haben. Nicht einmal seine Familie wusste offenbar davon. Per Internet habe er islamistische Botschaften verbreitet und auch dienstliche Geheimnisse verraten, heißt es. Er habe Gleichgesinnten im Netz Informationen über Polizeiaktionen und Hilfe bei Attentaten auf den Verfassungsschutz angeboten. Ein solcher Anschlag sei „im Sinne Allahs“, habe er seinem Chat-Partner mitgeteilt. Er sei „zu allem bereit“, um seinen Brüdern zu helfen.
Nach dpa-Informationen war der Beschuldigte vor seiner Tätigkeit für den Verfassungsschutz Bankangestellter. Bei der Sicherheitsüberprüfung seien fünf Referenzpersonen – wie Ex-Vorgesetzte oder ehemalige Kollegen – befragt worden Am Mittwoch wurden plötzlich neue bizarre Details über den Verdächtigen bekannt: Danach soll er bereits vor zwei Jahren zum Islam konvertiert sein und sich gezielt beim Verfassungsschutz eingeschleust haben. Laut „Bild“-Zeitung soll der Mann auch als Pornodarsteller gearbeitet haben. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung in Tönisvorst am Niederrhein hätten die Ermittler pornografisches Material sichergestellt. Laut „Washington Post“soll der Mann seine Chat-Gespräche über seine Geheimdienstinformationen unter demselben Pseudonym geführt haben, das er auch als Pornodarsteller hatte. Er wurde bereits am 17. November verhaftet und sitzt in Untersuchungshaft.
Unklar ist bisher, welche Informationen genau geflossen sind und weshalb seine Radikalisierung nicht früher entdeckt worden ist. .Die Ermittlungen von Staatsanwaltschaft und Bundesamt laufen wegen des Verdachts der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der versuchten Verletzung von Dienstgeheimnissen. Laut Staatsanwaltschaft Düsseldorf gibt es bislang keine Anhaltspunkte, dass der geständige Inhaftierte „sicherheitsrelevante Kenntnisse“an gewaltbereite Salafisten weitergegeben hat.
Hinweise auf grundsätzliche strukturelle Probleme beim Verfassungsschutz gebe es nicht, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums. Auch habe keine reale Gefahr eines Anschlags bestanden. Der Generalbundesanwalt prüft unterdessen, die Ermittlungen zu übernehmen.
Wie ernst muss man diesen Fall eines Maulwurfs beim Verfassungsschutz nehmen? Für die Union zeigt das Enttarnen, dass die Sicherheitsmechanismen und Kontrollsysteme der Dienste funktionieren. Dennoch müsse man prüfen, weshalb die Radikalisierung des festgenommenen Islamisten lange nicht erkannt worden sei, forderte am Mittwoch der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Stephan Mayer, der auch Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums ist, im Gespräch mit der „Schwäbischen Zeitung“.
SPD und Grüne dagegen wollen sich damit nicht zufriedengeben und fordern vollständige Aufklärung. Einmal mehr stehen die Geheimdienste im Fokus, stellt sich die Frage, ob gerade der Verfassungsschutz gut aufgestellt ist.