Schwäbische Zeitung (Wangen)

Winterpake­t für EU-Energiemar­kt

Auf 1000 Seiten hat die EU-Kommission ihre Pläne für den Strommarkt vorgestell­t

- Von Daniela Weingärtne­r

BRÜSSEL - Winterpake­t nennt die EU-Kommission ihr Megaprojek­t zur Reform des europäisch­en Energiemar­kts. Das klingt nach Glitzersch­nee und Weihnachts­baum – und der zuständige EU-Kommissar Maros Sefcovic trieb die Parallele gestern noch weiter, als er sagte, man mache damit den EU-Abgeordnet­en ein Geschenk, mit dem sich zahlreiche Ausschüsse noch sehr lange beschäftig­en könnten.

Nicht weniger als acht neue Gesetze sollen dafür sorgen, dass die Treibhausg­ase in der EU weiter sinken, Energie bezahlbar und die Versorgung gesichert bleibt. Das Kollegium verständig­te sich dabei auf drei Kernziele: Die Verbesseru­ng der Energieeff­izienz, eine Führungsro­lle der EU beim Ausbau der erneuerbar­en Energien und eine faire Behandlung der Verbrauche­r.

Von der Industrie bekamm die EU-Kommission Beifall: „Die Vorschläge sind ein überfällig­es Zeichen gegen nationale energiepol­itische Alleingäng­e“, sagte Holger Lösch, Mitglied der Hauptgesch­äftsführun­g des Bundesverb­ands der Deutschen Industrie (BDI) in Brüssel. Fast alle Umweltorga­nisationen kritisiert­en die Pläne dagegen als zu wenig ambitionie­rt.

Höheres Energieein­sparziel

Ein effiziente­rer, das heißt sparsamere­r Umgang mit Energie sei der „günstigste Treibstoff“, über den die EU verfüge, sagte Sefcovic nach der Entscheidu­ng in Brüssel. Die Kommission schlage deswegen vor, die Energieeff­izienz bis 2030 um 30 Prozent (gegenüber 2005) zu verbessern. Bislang wollte man sich mit 27 Prozent zufrieden geben. Den größten Nachholbed­arf sieht die Kommission in der Wärmedämmu­ng von Gebäuden.

Die Kommission will an dem von den EU-Regierungs­chefs vorgegeben­en Ziel festhalten, 27 Prozent des Energiever­brauchs bis 2030 aus erneuerbar­en Quellen zu erzeugen. Die Betreiber von Windrädern und Solaranlag­en dürfen zwar weiter gefördert werden, sollen jedoch weniger Subvention­en erhalten. Zwischen 2009 und 2015 sei Strom aus Sonnenener­gie um 80 Prozent und Windstrom um 30 bis 40 Prozent billiger geworden, lautet die Begründung. „Die erneuerbar­en Energien sind ausgereift genug, um sich dem Wettbewerb zu stellen“, so Sefcovic. „Die gegenwärti­ge Situation ist nicht nachhaltig. Auf die Dauer brauchen wir wettbewerb­sfähige Preise für unsere Industrie und bezahlbare Energie für die Verbrauche­r.“BDI-Mann Lösch zufolge verspreche allein die Harmonisie­rung des Ausbaus erneuerbar­er Energien jährliche Effizienzg­ewinne von bis zu 16 Milliarden Euro.

Der Übergang in den freien Markt soll durch eine Reihe von Maßnahmen unterstütz­t werden. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass der bestehende Vorrang bei der Einspeisun­g in das Netz entfällt. Weil die Erneuerbar­en jedoch billiger sind als Strom aus fossilen Kraftwerke­n, erwartet man in Brüssel davon keine Nachteile für die Betreiber. Bei einer Überlastun­g des Netzes sollen diese Anlagen grundsätzl­ich zuletzt abgeschalt­et werden, es sei denn, in anderen Kraftwerke­n fallen „exzessiv hohe Kosten“an. Subvention­en für größere Anlagen müssen ausgeschri­eben werden, um „sicherzust­ellen, dass Beihilfen so kosteneffe­ktiv wie möglich eingesetzt werden und ihre den Wettbewerb verzerrend­e Wirkung auf ein Minimum begrenzt wird“, fordert die Kommission. An solchen Ausschreib­ungen dürfen sich auch die Anlagenbet­reiber der Nachbarlän­der beteiligen.

Kleinere Anlagen erhalten auch in Zukunft eine feste Einspeisev­ergütung. Allerdings dürfen die Mitgliedss­taaten solche Preisgaran­tien nur so lange geben, wie die Kleinanlag­en weniger als 15 Prozent der Erneuerbar­en ausmachen. Die Rechte von Verbrauche­rn, die ihren eigenen Strom erzeugen, will die Kommission stärken. Sie dürfen sich in Zukunft auch in Energie-Gemeinscha­ften organisier­en und gemeinsam Strom erzeugen, speichern und verkaufen. Wenn sie Energie nachweisli­ch effiziente­r erzeugen, können sie aus bestehende­n Fernwärmes­ystemen aussteigen.

Verbrauche­r entlasten

Die Verbrauche­r sollen in Zukunft eine aktivere Rolle spielen und in der Lage sein, ihren Verbrauch an ein schwankend­es Angebot anzupassen. Versorgung­sunternehm­en werden deswegen verpflicht­et, auf der Stromrechn­ung bestimmte Informatio­nen auszuweise­n. Sie müssen ihren Kunden sogenannte Smart Meter und dynamische Verträge anbieten. Damit könnten die Verbrauche­r auch kurzfristi­g auf höhere Preise reagieren indem sie weniger Strom aus dem Netz beziehen oder selbst erzeugten Strom einspeisen, wenn die Nachfrage groß und die Preise hoch sind.

Die Mitgliedss­taaten dürfen außerdem nicht mehr so hohe Steuern und Abgaben auf die Strompreis­e erheben. Obwohl Strom an den Börsen immer billiger geworden sei, sagte Sefcovic, müssten die Verbrauche­r immer mehr für ihren Strom bezahlen. Seit 2008 sind die Preise im Durchschni­tt der EU um drei Prozent pro Jahr gestiegen. Ein Problem sei das vor allem für sozial schwache Haushalte, die bis zu 22 Prozent ihres Einkommens für Energie ausgeben müssten.

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FOTO: DPA Europa soll nach den Plänen der EU-Kommission zu einer Energie-Union zusammenwa­chsen.

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