Frauen kämpfen, reden, denken besser
Eisgekühlt und europäisch: Dem „Underworld“-Epos geht die Luft nicht aus
Am Anfang wendet sich die Heldin Selena aus dem Off zu uns: „Ich habe nichts mehr, alles ist verschwunden. Meine ganze Existenz ... Ich bin verhasst bei Vampiren und Lycanern.“Selena, gespielt von der blendend aussehenden Kate Beckinsale, scheint kaum gealtert, seit sie vor 13 Jahren im gleichen Gewand, ebenfalls in einer verregneten Londoner Nacht, den ersten Film einleitete – eine Catwoman der Apokalypse.
Sich in diesem Universum eines seit Jahrtausenden tobenden Kampfes zwischen Vampiren und Lycanern, so heißen hier die Werwölfe, zurechtzufinden, ist für denjenigen, der keinen der vier „Underworld“Vorgängerfilme seit 2003 gesehen hat, trotz solcher Erklärungen nicht einfach. Man kann sich helfen, indem man sich diesen Kampf, bei dem die Menschen nicht einmal als Statisten in Erscheinung treten, als Kampf der Klassen vorstellt: Die Lycaner sind wie das Klischee vom Proletarier: schmutzig, körperlich, triebhaft und in Rudeln organisiert, getrieben von niederen Instinkten. Die Vampire wirken demgegenüber wie überfeinerte, dekadente, von Todesblässe angekränkelte britische Aristokraten. Individualistischer und zivilisierter zwar, aber dem Untergang geweiht. „Wir verlieren diesen Krieg“, sagt eine Vampirfrau früh im Film, und so sind auch die Sympathien in diesem Film klar: Der Zuschauer fühlt mit den Vampiren, denen auch Selena angehört, obwohl sie, seit der Liebe zu einem Werwolf, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen wurde.
Die gemeinsame Tochter ist selbst für die Mutter nicht zu finden. Und so sind in „Underworld Blood Wars“bereits mehrere mögliche Fortsetzungen angelegt. Bemerkenswert an diesem B-Movie-Epos von erstaunlicher Langlebigkeit ist, dass es sich um ein europäisches Projekt handelt. Gedreht wurde in Großbritannien, der tschechischen Republik und in Skandinavien. Ebenso bemerkenswert ist, dass nicht nur das Drehbuch (Cory Godman), sondern auch die Regie von einer Frau stammt: Der in Deutschland geborenen, in den USA lebenden Anna Foerster, die als Kamerafrau von Roland Emmerich erste Sporen verdiente, und jetzt ihre zweite Regie vorlegt. Eine gelungene Arbeit, deren weibliche Note in verstärkter Sensibilität, Verzicht auf übertriebene Brutalität und feministischen Momenten erkennbar ist: Frauen kämpfen, reden und denken besser als die altmodischen Herren. Im Design mischt sich Heavy Metal und Vampir-Mythologie mit einem Hauch von „Games of Thrones“. Auch wer Politisches hineindeuten will, wird fündig: Es geht um Pluralität, um das Zusammenleben verschiedener Völker und um den Antiterrorkampf. Doch das Wichtigste: Diese Mischung aus Film-Noir und schwarzer Romantik, Fetischismus und Decadence macht Spaß und ist schön anzusehen.
Underworld: Blood Wars. Regie: Anna Foerster. Mit Kate Beckinsale, Theo James, Lara Pulver. USA 2016, 91 Minuten. FSK ab 16 Jahren.