Ästhetik ist alles
Anfang Dezember erscheint das neue Genetikk-Album
RAVENSBURG - Zu Beginn des Openers „Peng Peng“scheint die dystopische Stimmung so erdrückend, dass man sie als Hörer am liebsten zerschneiden möchte. Da klingt zunächst nur der hypnotische Chor eines Urvolkes, dazu schlägt eine improvisierte Buschtrommel, ehe sich aus diesen archaischen Bausteinen ein bissig bis sphärischer OhrfeigenBeat schält. Auf dieser Grundlage entsteht über zwei Strophen eine clevere Abhandlung über Unterdrückung und Vertreibung. „In Karawanen geflohen, doch die Zäune sind hoch/ Pack’ die Träume ins Boot/ Neunundneunzig Luftballons, neunundneunzig Patron’ – lass sie platzen.“Ein guter Auftakt, der sich da auf dem am Freitag, 2. Dezember, erscheinenden Album „Fukk Genetikk“(Selfmade Records) findet.
Die maskierte Einheit Genetikk gilt in vielerlei Hinsicht als Ausnahmeerscheinung im deutschsprachigen Hip-Hop-Kosmos. Die in Saarbrücken verwurzelte Crew entwirft auch fernab der Musik eine eigene Ästhetik, die sich in der Modemarke HiKids sowie in allen Artworks und Videos widerspiegelt.
Das Konzept des Kollektivs erscheint zentral. Als definitiver Fixpunkte rotieren aber Produzent Sikk und MC Karuzo, die mit ihrem angekratzten Oldschool-Stil mit Anleihen bei Sido und Marteria die Szene ab 2010 ordentlich durchmischten.
Nachdem sowohl das solide 2013er Album „D.N.A.“als auch die enttäuschende Platte „Achter Tag“(2015) die Chartspitze enterten, erscheint nun „Fukk Genetikk“, begleitet von einer ganzen Armada der Erwartungen. Doch die Platte hinterlässt gemischte Gefühle. Speziell die beiden Vorabsingles „Jordan Belfort“und „Tote Präsidenten“enttäuschen massiv. Beide Songs klingen seltsam generisch und präsentieren langweilige Trap-Strukturen.
Darüber hinaus erschafft das Duo aber ein unheimlich dichtes Werk, das einerseits an die Genetikk-Anfangstage erinnert und andererseits auch bislang nur angedachte Klangideen konsequent ausformuliert.
Neue Maßstäbe
Fantastisch, wie in „Teenspirit“aus dekonstruierten Bruchstücken des ikonischen Nirvana-Riffs ein BeatGolem verklebt wird. Punktgenau, wie sich Karuzo auf „Zombies“mit dem amerikanischen Gastrapper A$AP Nast duelliert und den futuristischen Sound von „Saint Lorent“fast spielerisch in seine Einzelteile zerlegt. So setzt „Fuck Genetikk“trotz kleinerer Mängel neue Maßstäbe in Sachen Ästhetik und Atmosphäre.
Live 2017: 20.3. München, Tonhalle; 27.3. Stuttgart, Im Wizemann. Genetikk treten bei Rock am Ring (MendigI) und Rock im Park (Nürnberg) auf. Ebenfalls vom 2. bis 4. Juni haben sich für das Zwillingsfestival Rammstein, Die Toten Hosen, System of a Down, Kraftklub, Broilers, Prophets of Rage und Beginner angekündigt. Karten gibt es bei www.rock-am-ring.com und www.rock-im-park.com.