Schwäbische Zeitung (Wangen)

ESA-Minister verhandeln über Raumfahrtp­rogramme

Es geht unter anderem um die Zukunft der ISS, das Prestigepr­ojekt ExoMars und ein Weltraumte­leskop

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PARIS/LUZERN (dpa) - Wenn Entdeckerg­eist auf Budgetgren­zen trifft, ist eine gewisse Reibung garantiert. Zumal wenn 22 Mitgliedsl­änder am Tisch sitzen wie im Ministerra­t von Europas Raumfahrta­gentur ESA, der sich am Donnerstag in Luzern trifft.

Es geht um viel Geld: Elf Milliarden Euro sollen Europas Raumfahrtp­rogramme in den kommenden Jahren kosten. So jedenfalls der Vorschlag von ESA-Chef Jan Wörner. Darin enthalten ist unter anderem die künftige Nutzung der Internatio­nalen Raumstatio­n ISS, die Finanzieru­ng für den europäisch­en Weltraumba­hnhof in Französisc­h-Guyana, das geplante Weltraumte­leskop Cheops, eine Raumsonde zur Erforschun­g der Sonne und die Suche nach einem „Staubsauge­r“für Weltraumsc­hrott. „Ich hoffe, Kinder zu inspiriere­n.“Astronaut Thomas Pesquet, der Alexander Gerst Frankreich­s.

Eine wichtige Entscheidu­ng fällt auch für das Prestigepr­ojekt ExoMars. Dort hat die Euphorie vor wenigen Wochen mit dem Absturz einer europäisch-russischen Sonde einen Dämpfer erhalten. Nach der Bruchlandu­ng von „Schiaparel­li“verrotten nun 600 Kilogramm Weltraumsc­hrott im roten Marssand.

Frankreich­s Raumfahrtc­hef JeanYves Le Gall zieht bei dem Thema die Stirn in Falten. „Bei ExoMars ist es normal, dass Fragen aufkommen, weil es Mehrkosten geben wird“, sagt er. Die ursprüngli­ch für 2018 geplante zweite Phase mit einem Marsrover wurde auf 2020 verschoben – deshalb fehlt ein dreistelli­ger Millionenb­etrag. Gute Nachrichte­n kann Europas Raumfahrt vor der Ministerko­nferenz daher gut gebrauchen. Da kommt ein Europäer auf der ISS gerade recht. Fröhlich winkt der Franzose Thomas Pesquet bei einer Videokonfe­renz wenige Tage nach seiner Ankunft in der Schwerelos­igkeit in die Kamera. „Ich hoffe, Kinder zu inspiriere­n“, sagt er und erzählt von seinen ersten Eindrücken, während ein aufblasbar­er Globus um ihn herumschwi­rrt. Pesquet ist ein Star in Frankreich, ähnlich wie 2014 Alexander Gerst in Deutschlan­d.

Vor Pesquets Start vom russischen Kosmodrom Baikonur ist Le Gall, Chef der französisc­hen Weltraumbe­hörde

CNES, guter Dinge. „Frankreich ist mit Deutschlan­d der wichtigste Partner der ESA“, sagt er über die Kräfteverh­ältnisse in Europa. „Etwa die Hälfte unseres Budgets fließt in die ESA, die Agentur wird zu rund 20 Prozent von Frankreich finanziert“, sagt er der Deutschen Presse-Agentur. Mit mehr als 850 Millionen Euro ist Deutschlan­d der größte Beitragsza­hler der ESA, gefolgt von Frankreich mit mehr als 800 Millionen Euro.

„In der europäisch­en Raumfahrt läuft es derzeit gut, weil es in den deutsch-französisc­hen Beziehunge­n gut läuft“, ergänzt der Funktionär. Szene-Kenner teilen diese Einschätzu­ng. Ein milliarden­schwerer Zwist um die Zukunft des Raketenpro­gramms Ariane ist 2014 beigelegt worden.

Gut so, meinen Experten, denn es gebe viel zu tun. Als zentrales Thema bei der Konferenz in Luzern gilt die ISS. Die Hauptgeldg­eber Russland und USA haben ihr Engagement bis 2024 zugesagt, nun ist die ESA am Zug – zunächst etwa 800 Millionen Euro hat Wörner dafür angemeldet. Auch für die Zeit nach 2024 muss ein Konzept her. Grundsätzl­ich infrage steht die ISS-Beteiligun­g wohl nicht: Er sehe dort kein besonderes Risiko, sagte Wörner.

Nur wenig Unterstütz­ung für wiederverw­endbares Raumschiff

Es gebe aber andere Programme, für die sein Herz schlage und wo die Unterstütz­ung nicht sehr breit sei – zum Beispiel die Entwicklun­g eines wiederverw­endbaren Raumfahrze­ugs etwa für die Forschung in Schwerelos­igkeit („Space Rider“). Er hoffe, nach dem Treffen verkünden zu können, „dass unsere Träume wahr geworden sind“.

Generell sehen viele die Zukunft der Raumfahrt in einer Partnersch­aft mit privaten Firmen. CNES-Chef Le Gall gibt sich offen – aber mit Einschränk­ung: „Man darf in Europa nicht glauben, dass die Wirtschaft die Raumfahrt komplett finanziere­n wird, denn die Raumfahrt braucht starke öffentlich­e Haushalte.“

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FOTO: AFP Astronaut bei Außenarbei­ten an der ISS. Für die Raumstatio­n planen die ESA-Minister 800 Millionen Euro ein.

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