„Und plötzlich sind da auch Bücher drin“
Christengemeinschaft setzte an Spinnereistraße Telefonzellen-Idee anderer Städte um
WANGEN - Seit Frühjahr gibt es an der Spinnereistraße (wieder) eine Telefonzelle. Allerdings ist sie nicht fürs Telefonieren gedacht, sondern so etwas wie „öffentlicher Bücherschrank“oder Büchertauschbörse. Umgesetzt hat die auch in anderen Städten bekannte Idee die Christengemeinschaft, die jetzt feststellte: Mit und in der Zelle verbinden sich sogar Nostalgie und Moderne. Denn seit Herbst ist sie auch Geocaching-Platz und damit eine Art Schatztruhe für die satellitengestützte Art der Schatzsuche oder Schnitzeljagd.
„Die Idee kam mir im vergangenen Jahr während meines Sommerurlaubs“, erzählt Stephan Neß. Den verbrachte der Pfarrer der Christengemeinschaft in der Nähe von Hamburg in einem kleinen Ort, in dem es „eine Telefonzelle voller Bücher“gab. Neß war sogleich begeistert. Nicht zuletzt deshalb, weil seiner Meinung nach „Bücher einfach zu schade sind, um sie wegzuwerfen“. Im Internet wurde nach einer alten Telefonzelle „gefahndet“und schließlich eine 60 Euro teure gefunden.
Auch zum Handy aufladen
Ein Wangener Glaser ersetzte eine defekte Scheibe, das Dach wurde abgedichtet, Regale und Licht wurden eingebaut. Im Frühjahr zogen schließlich auch erste Bücher ein. „Es hat eine Weile gedauert, bis die Leute reingingen“, erzählt Neß. Seit ein Informationsblatt darauf aufmerksam macht, dass aus den Regalen Bücher mitgenommen, gelesen, behalten oder wieder zurückgestellt und auch eigene Bücher gebracht werden können, wandelte sich das anfangs etwas reservierte Verhalten der Vorbeikommenden. „Und plötzlich sind da auch Bücher drin“, freut sich Neß.
Eingestellt werden soll und kann alles, was nicht unter „Müll“oder „Schund“zu verbuchen ist – vom Kinder- bis zum Fachbuch, vom Roman bis zum Lexikon. Die Christengemeinschaft kümmert sich um das „Drumherum“, kontrolliert von Zeit zu Zeit, tauscht Bücher aus und hat jetzt auch einen Stuhl parat gestellt – falls jemand das „Lesefieber“sofort befällt. Da es in der Zelle auch Licht und Strom gibt, kann sie 24 Stunden am Tag genutzt und bei Bedarf parallel auch das Handy aufgeladen werden.
Groß ist bei Stephan Neß und der Christengemeinschaft die Freude, dass die Bücher-Zelle offensichtlich auch noch andere auf den Plan gerufen hat. Seit einigen Wochen ist dort auch ein „Logbuch“für Geocacher versteckt, indem sich bereits einige Einträge finden. Und in den Regalen? Dort hat sich vom Backbuch über Kinderbuch-Autorin Enid Blyton, Romanschreiber Johannes Mario Simmel oder „Geflügelte Worte“schon einiges angesammelt. Ob er keine Sorge hat, dass zu viel angeliefert werden könnte? Stephan Neß: „Vielleicht stellen wir ja auch irgendwann einmal eine zweite Zelle auf.“