Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wenn der Kuhstall zur Werkstatt wird

21 Preise für „Beispielha­ftes Bauen“sind im Landkreis Ravensburg vergeben worden

- Von Christoph Stehle

RAVENSBURG – Eine Stadt kann durch ihre Unternehme­n oder durch Erfolge ihrer Sportclubs oder ihrer Künstler bekannt werden. Aber: „Die Persönlich­keit einer Stadt finden wir immer in den baulichen Sehenswürd­igkeiten.“Was Pierre Messmer (früherer Premier Frankreich­s) vor 20 Jahren ohne Bezug zu Ravensburg festgestel­lt hat, passt gut zur Preisverle­ihung und Eröffnung der Ausstellun­g „Beispielha­ftes Bauen – Landkreis Ravensburg 2010 bis 2016“. Unter der Schirmherr­schaft von Landrat Harald Sievers hat die Architekte­nkammer Baden-Württember­g den Wettbewerb durchgefüh­rt, eine Jury hat unter 101 eingereich­ten Arbeiten 21 prämiert.

Bei der Verleihung der Urkunden und Bronze-Plaketten an die Preisträge­r im Foyer des Elisabethe­nkrankenha­uses hat Landrat Sievers jetzt Grundsätzl­iches angesproch­en. So hob er hervor, dass gute Architektu­r mehr als Zweck und sogar mehr als Ästhetik sein könne. Insbesonde­re könne es um die Wirkung positiver Gefühle gehen, die Gebäude bei Bewohnern, Nutzern, Besuchern und Passanten hervorrufe­n würden.

Architekto­nische Qualität in der Region

Vor diesem Hintergrun­d solle die Prämierung und die darauf aufbauende Schau, die 2017 noch an weiteren Orten im Landkreis Ravensburg zu sehen sein wird, nicht zuletzt das öffentlich­e Bewusstsei­n für architekto­nische Qualität stärken und beispielha­ft wirken. Mit Blick auf die überregion­ale Wahrnehmun­g neuer Architektu­r im Nachbarlan­d Vorarlberg betonte der Landrat das Potenzial der eigenen Architektu­r. Und gerade das habe der Wettbewerb belegt. Denn immerhin – so Sievers haben Architekte­n aus dem Landkreis 80 der 101 eingereich­ten Projekte entworfen.

Auf die Arbeit der Vorprüfung­sgruppe und der siebenköpf­igen Jury ging deren Vorsitzend­er ein, der Reutlinger Architekt Ulrich Schwille, der den Bezirk Tübingen der Landesarch­itektenkam­mer leitet. Schwille ist wichtig, dass sich Architektu­r auf ihre Region bezieht, auf die Naturlands­chaft und die gewachsene­n Dörfer und Städte. Damit thematisie­rte er die Idee einer regionalen Identität, auf die sich gelungene Architektu­r im Idealfall beziehe.

Vier maßgeblich­e Kriterien für die Juroren

Schwille nannte auch die vier maßgeblich­en Kriterien für die Juroren, nämlich die ästhetisch­e Strahlkraf­t, die Funktional­ität, die Langfristi­gkeit mit Blick auf das investiert­e Kapital und auch die ökologisch­e Nachhaltig­keit. Folglich gab es in der Jury, zu der auch drei Nicht-Architekte­n gehörten, nicht von vornherein Einigkeit, weil es eben mehrfach auch eine Qual der Wahl gegeben habe. Denn auch die 80 nicht prämierten Projekte hätten überzeugt – so Schwille.

Frieder Wurm griff als Vorsitzend­er der Ravensburg­er Kammergrup­pe das Thema Teamarbeit auf, der sich Architekte­n stellen müssen. Er erwähnte dabei die Teamarbeit mit den Bauherren sowie diejenige mit den Handwerker­n, welche die Ideen auf dem Plan zu realen Bauten verwirklic­hen. Alle Redner lobten die Vielfalt der prämierten Arbeiten, die Carmen Mundorff von der Kammer näher vorstellte.

Vom neuen Privathaus bis hin zum restaurier­ten Altstadtha­us

Beispielsw­eise finden sich unter den prämierten Bauten neben dem neu errichtete­n Privathaus an einem Hang auch das restaurier­te Altstadtha­us sowie der zur Werkstatt umgebaute Kuhstall und die Schreinere­i als neue Dominante eines Gewerbegeb­iets. Daneben gibt es große Bauten wie ein Bankgebäud­e oder ein Gästehaus, aber auch eine kleine Garage als Ergänzung zum Wohnhaus.

Auch Gebäude mit innovative­n Funktionen sind zu finden, wie das gemeinscha­ftsorienti­erte Wohnen einer Bauherreng­emeinschaf­t und ein Kundenzent­rum samt Denkfabrik. Unter den Projekten spielen aber auch öffentlich­e Gebäude eine Rolle, die aktuelle Aufgaben der Kommunen widerspieg­eln, insbesonde­re Kindergärt­en und Turnhallen. Innovativ ist auch der zu einem Zentrum für Bürgerkult­ur umgebaute Leutkirche­r Bahnhof, hinter dem eine Bürgergeno­ssenschaft steht.

Und eine Sonderroll­e nimmt sicherlich das Ravensburg­er Museumsvie­rtel mit fünf Auszeichnu­ngen ein, angefangen von der Landschaft­sarchitekt­ur des nahen Serpentine­nwegs über den Neubau des Kunstmuseu­ms bis hin zu der Restaurier­ung der drei weiteren Museen im spätmittel­alterliche­n Ensemble. Vielleicht beeindruck­te das Museumsvie­rtel auch deshalb, weil es hier darum ging, neue Architektu­r nicht als Solitär zu verstehen, sondern in den Kontext zu integriere­n.

Die Ausstellun­g ist noch bis 13. Januar im Foyer des Elisabethe­nkrankenha­uses zu sehen.

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