Wenn der Kuhstall zur Werkstatt wird
21 Preise für „Beispielhaftes Bauen“sind im Landkreis Ravensburg vergeben worden
RAVENSBURG – Eine Stadt kann durch ihre Unternehmen oder durch Erfolge ihrer Sportclubs oder ihrer Künstler bekannt werden. Aber: „Die Persönlichkeit einer Stadt finden wir immer in den baulichen Sehenswürdigkeiten.“Was Pierre Messmer (früherer Premier Frankreichs) vor 20 Jahren ohne Bezug zu Ravensburg festgestellt hat, passt gut zur Preisverleihung und Eröffnung der Ausstellung „Beispielhaftes Bauen – Landkreis Ravensburg 2010 bis 2016“. Unter der Schirmherrschaft von Landrat Harald Sievers hat die Architektenkammer Baden-Württemberg den Wettbewerb durchgeführt, eine Jury hat unter 101 eingereichten Arbeiten 21 prämiert.
Bei der Verleihung der Urkunden und Bronze-Plaketten an die Preisträger im Foyer des Elisabethenkrankenhauses hat Landrat Sievers jetzt Grundsätzliches angesprochen. So hob er hervor, dass gute Architektur mehr als Zweck und sogar mehr als Ästhetik sein könne. Insbesondere könne es um die Wirkung positiver Gefühle gehen, die Gebäude bei Bewohnern, Nutzern, Besuchern und Passanten hervorrufen würden.
Architektonische Qualität in der Region
Vor diesem Hintergrund solle die Prämierung und die darauf aufbauende Schau, die 2017 noch an weiteren Orten im Landkreis Ravensburg zu sehen sein wird, nicht zuletzt das öffentliche Bewusstsein für architektonische Qualität stärken und beispielhaft wirken. Mit Blick auf die überregionale Wahrnehmung neuer Architektur im Nachbarland Vorarlberg betonte der Landrat das Potenzial der eigenen Architektur. Und gerade das habe der Wettbewerb belegt. Denn immerhin – so Sievers haben Architekten aus dem Landkreis 80 der 101 eingereichten Projekte entworfen.
Auf die Arbeit der Vorprüfungsgruppe und der siebenköpfigen Jury ging deren Vorsitzender ein, der Reutlinger Architekt Ulrich Schwille, der den Bezirk Tübingen der Landesarchitektenkammer leitet. Schwille ist wichtig, dass sich Architektur auf ihre Region bezieht, auf die Naturlandschaft und die gewachsenen Dörfer und Städte. Damit thematisierte er die Idee einer regionalen Identität, auf die sich gelungene Architektur im Idealfall beziehe.
Vier maßgebliche Kriterien für die Juroren
Schwille nannte auch die vier maßgeblichen Kriterien für die Juroren, nämlich die ästhetische Strahlkraft, die Funktionalität, die Langfristigkeit mit Blick auf das investierte Kapital und auch die ökologische Nachhaltigkeit. Folglich gab es in der Jury, zu der auch drei Nicht-Architekten gehörten, nicht von vornherein Einigkeit, weil es eben mehrfach auch eine Qual der Wahl gegeben habe. Denn auch die 80 nicht prämierten Projekte hätten überzeugt – so Schwille.
Frieder Wurm griff als Vorsitzender der Ravensburger Kammergruppe das Thema Teamarbeit auf, der sich Architekten stellen müssen. Er erwähnte dabei die Teamarbeit mit den Bauherren sowie diejenige mit den Handwerkern, welche die Ideen auf dem Plan zu realen Bauten verwirklichen. Alle Redner lobten die Vielfalt der prämierten Arbeiten, die Carmen Mundorff von der Kammer näher vorstellte.
Vom neuen Privathaus bis hin zum restaurierten Altstadthaus
Beispielsweise finden sich unter den prämierten Bauten neben dem neu errichteten Privathaus an einem Hang auch das restaurierte Altstadthaus sowie der zur Werkstatt umgebaute Kuhstall und die Schreinerei als neue Dominante eines Gewerbegebiets. Daneben gibt es große Bauten wie ein Bankgebäude oder ein Gästehaus, aber auch eine kleine Garage als Ergänzung zum Wohnhaus.
Auch Gebäude mit innovativen Funktionen sind zu finden, wie das gemeinschaftsorientierte Wohnen einer Bauherrengemeinschaft und ein Kundenzentrum samt Denkfabrik. Unter den Projekten spielen aber auch öffentliche Gebäude eine Rolle, die aktuelle Aufgaben der Kommunen widerspiegeln, insbesondere Kindergärten und Turnhallen. Innovativ ist auch der zu einem Zentrum für Bürgerkultur umgebaute Leutkircher Bahnhof, hinter dem eine Bürgergenossenschaft steht.
Und eine Sonderrolle nimmt sicherlich das Ravensburger Museumsviertel mit fünf Auszeichnungen ein, angefangen von der Landschaftsarchitektur des nahen Serpentinenwegs über den Neubau des Kunstmuseums bis hin zu der Restaurierung der drei weiteren Museen im spätmittelalterlichen Ensemble. Vielleicht beeindruckte das Museumsviertel auch deshalb, weil es hier darum ging, neue Architektur nicht als Solitär zu verstehen, sondern in den Kontext zu integrieren.
Die Ausstellung ist noch bis 13. Januar im Foyer des Elisabethenkrankenhauses zu sehen.