Polizisten als „verlogene, korrupte Schweine“bezeichnet
Angeklagter beruft sich auf freie Meinungsäußerung
LINDAU (roi) - Wer hier Opfer und wer Täter war, darüber gab es vor dem Amtsgericht Lindau unterschiedliche Auffassungen. Der Angeklagte räumte zwar ein, dass er die Polizeibeamten, die seine Wohnung im August 2015 durchsuchten, als „Schweine“bezeichnet hatte. Und nicht nur das: Sie seien „verlogen“und „korrupt“, kurzum Menschen, die er „auf eine Stufen mit Kinderschändern“stelle. In Wirklichkeit sei aber er selbst das Opfer gewesen, da die Beamten ihn durch ihr Verhalten erst zu diesen Äußerungen provoziert hätten.
Der 59-Jährige hatte seine Wut in zwei Briefen schriftlich kundgetan, was ihm nun eine Anklage wegen Beleidigung eingebracht hatte. Der Mann sah sich als Opfer von Behördenwillkür und polterte auch vor Gericht aufgeregt weiter. „Ich wurde wie ein Schwerverbrecher behandelt“, sagte er in Anspielung auf die Hausdurchsuchung und berief sich auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung. Im Zentrum der Gerichtsverhandlung stand daher die Frage, wie sich die Hausdurchsuchung abgespielt hatte.
Zu der Hausdurchsuchung war es im August 2015 gekommen, da die Polizei gegen den Mann wegen sexuellen Missbrauchs und Vergewaltigung ermittelt hatte. Die Beamten sollten Beweismaterial, Handy und Datenträger sicherstellen.
Die Erinnerung daran brachte den Angeklagten, der sich selbst verteidigte, wieder in Rage. Die Polizisten hätten sich „wie ein Tier im Stall aufgeführt“, sagte er. Statt seiner freundlichen Aufforderung nachzukommen, die Schuhe auszuziehen, hätten sie seinen hellen Teppich verdreckt. Ein Beamter habe sich mit seiner Jacke an die Wand angelehnt und dort einen schwarzen Fleck hinterlassen, während sein Kollege sich aufs Sofa des Angeklagten „gefläzt“hätte. Zudem habe eine Beamtin achtlos Kartons mit Kuchen fallengelassen. Sein Fazit: „Ich wurde schikaniert.“
„Ich habe niemanden persönlich beleidigt“, sagte er – und berief sich auf sein Recht auf Meinungsfreiheit. Psychisch ohnehin stark belastet durch die Vorwürfe, hätten ihn die Beamten provoziert. Die vier Polizisten, die als Zeugen geladen waren, sahen die Sache anders. Sie berichteten von einem aufgebrachten Angeklagten, bestritten aber unisono, in der Wohnung etwas kaputt gemacht oder verschmutzt zu haben. „Wir ziehen grundsätzlich bei polizeilichen Maßnahmen unsere Schuhe nicht aus“, stellte ein Beamter klar. Der Angeklagte wütend: „Die Ermittler leiden alle an Gedächtnisschwund.“Das wundere ihn aber nicht: „Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, meinte er, da sei er chancenlos. Dem Staatsanwalt ging das zu weit. Selbst unter Berücksichtigung, dass der Angeklagte aufgeregt war und ein Recht auf freie Meinungsäußerung hat, liege eine „persönliche Diffamierung der Person und eine konkrete Herabwürdigung der Beamten“vor. Er forderte eine Gesamtstrafe von 60 Tagessätzen zu 35 Euro.
Richter Jürgen Müller ging davon aus, „dass sich die Polizeibeamten im Wesentlichen korrekt verhalten haben“. Derartige Äußerungen seien nicht durch das Recht der freien Meinungsäußerung abgedeckt, sondern als Beleidigung zu bestrafen. Für den Richter war die geforderte Geldstrafe des Staatsanwalts aber zu hoch: Er legte 25 Tagessätze zu 20 Euro fest. Der Angeklagte kündigte noch im Gerichtssaal an, in Berufung zu gehen: „Man muss andere Menschen gegen so eine Vorgehensweise schützen.“