Sorgen bei der Alno-Belegschaft
Investor oder Heuschrecke: Was will der Hastor-Konzern mit dem Küchenbauer Alno?
RAVENSBURG (ben) - Die Übernahme des Pfullendorfer Traditionsunternehmens Alno durch die zum bosnischen Hastor-Konzern gehörende Beteiligungsgesellschaft Tahoe beunruhigt in zunehmenden Maße die Belegschaft des Küchenbauers. „Keiner weiß, was Tahoe vorhat“, erläutert Michael Föst, zweiter Bevollmächtigte der IG Metall Albstadt. „Nimmt der Investor kein Geld in die Hand für die Modernisierung der Produktion, wird sich an der schwierigen Lage nichts ändern.“
RAVENSBURG - Der Investor Tahoe, hinter dem die bosnische Unternehmerfamilie Hastor steht, will den Küchenhersteller Alno mit Sitz in Pfullendorf übernehmen. Nun hat die Beteiligungsgesellschaft, die bereits ein Drittel der Anteile an der seit Jahren kriselnden Firma hält, ein Übernahmeangebot abgegeben. 50 Cent pro Aktie sollen die Aktionäre erhalten. Allerdings will Tahoe nur 49,5 Prozent von Alno erwerben, deswegen hat die Unternehmensgruppe einen zweiten Bieter mit in das Angebot aufgenommen: die Investmentgesellschaft Brillant 1953 mit Sitz im nordhessischen Eschwege. Benjamin Wagener und Andreas Knoch beantworten die wichtigsten Fragen rund um den kuriosen Deal.
Warum steht Alno so schlecht da?
Seit Alno Mitte der 90er-Jahre an die Börse ging, kämpft die Firma gegen Überkapazitäten und um dauerhaft schwarze Zahlen. Trotz zahlreicher Umbauten und Managementwechsel fehlt eine klare Strategie. Mittlerweile ist die Produktion veraltet. Seit Jahren schreibt Alno rote Zahlen – zuletzt schlug ein Nettoverlust von 4,4 Millionen Euro zu Buche bei einem Umsatz von gut 521 Millionen Euro. Im Sommer rettete nur ein Darlehen von Tahoe den Küchenbauer vor der drohenden Zahlungsunfähigkeit.
Warum befürwortet der Vorstand die Übernahme?
Offiziell nennt Vorstandschef Max Müller die Übernahme „einen weiteren Meilenstein in der Zusammenarbeit mit unserem neuen Großinvestor, der dem Unternehmen Stabilität sowie eine klare Perspektive für die Zukunft gibt“. Richtig ist wohl aber auch, dass Alno ohne die Unterstützung von Tahoe vor schwerwiegenden Problemen gestanden hätte.
Wie sieht die Belegschaft die Übernahme?
Verhalten – und angespannt, so beschreibt jedenfalls Michael Föst von der IG Metall Albstadt die Stimmung bei den Mitarbeitern. „Es ist ja nicht der erste Investor, der bei Alno einsteigt, das hatten wir ja alles schon“, sagt Föst. „Und keiner weiß, was Tahoe vorhat.“Klar ist für den Gewerkschafter, dass Alno ohne Tahoe schlechter dastehen würde. „Nimmt Tahoe aber kein Geld in die Hand für eine Modernisierung, dann ändert sich auch nichts“, erklärt Föst.
Warum will Tahoe Alno übernehmen?
Die Antworten, die die Bosnier geben, klingen sperrig und wenig konkret. „Tahoe investiert verstärkt in europäische Industrieunternehmen mit langer Tradition und bedeutender Marktrelevanz, die zwar einerseits einen hohen Restrukturierungsbedarf, aber auch ein starkes internationales Wachstumspotenzial haben“, heißt es aus dem Umfeld des Investors
Wie will Tahoe Alno in die Hastor-Gruppe eingliedern?
Das sei noch nicht abzusehen und zu beantworten. Eine Kooperation mit den zur Hastor-Gruppe gehörenden Möbelfabriken auf dem Balkan wäre möglich. Klar ist aber auch, dass Tahoe Alno auch zerschlagen könnte, in dem man die Marke Alno sowie die Töchter Wellmann und Pino verkauft und die Produktion in Pfullendorf auslaufen lässt.
Warum nimmt Tahoe einen zweiten Bieter mit in das Angebot auf?
Alno hat zwei Anleihen begeben, die eine sogenannte „Change-of-ControlKlausel“beinhalten. Ein Wechsel des Eigentümers bei Alno löst die Klausel aus. Das will Tahoe durch die Bietergemeinschaft vermeiden, indem die Bosnier alle Aktien, mit denen sie die 49,5-Prozent-Schwelle überschreiten, an den zweiten Bieter weiterreichen.
Was hat es mit den „Change-ofControl-Klauseln“bei den ausstehenden Alno-Anleihen auf sich?
Ein solcher Eigentümerwechsel ermöglicht den Inhabern der Anleihe eine sofortige Kündigung. In diesem Fall müsste Alno Schulden in Höhe von 59 Millionen Euro zurückzahlen.
Könnte Alno die sofortige Rückzahlung der ausstehenden Anleihen finanziell stemmen?
Offiziell erklärt Alno, dass sich diese Frage nicht stelle, weil „durch die genehmigte Übernahmestruktur die Anwendung der ,Change-of-Control-Klausel’ nicht erfolgen kann.“Die komplizierte Übernahmekonstruktion lässt aber den Schluss zu, dass Tahoe die Rückzahlung zum jetzigen Zeitpunkt unbedingt vermeiden will, weil das die Firma noch tiefer in die Krise treiben würde.
Tahoe kontrolliert bereits mehr als ein Drittel der Anteile und stellt den Aufsichtsratschef. Warum will Tahoe weiter aufstocken?
Unternehmenspolitische Gründe hätten dabei den Ausschlag gegeben, heißt es aus dem Tahoe-Umfeld. So unwahrscheinlich es zum jetzigen Zeitpunkt erscheint: Alno ist noch immer eine starke Marke – vielleicht fürchtet Tahoe auch den Einstieg eines konkurrierenden Investors.
Die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft BBWP kommt in einem Gutachten zum Ergebnis, dass der Übernahmepreis finanziell nicht angemessen sei. Was ist ein angemessener Übernahmepreis?
Es gibt verschiedene Verfahren, mit denen der Wert eines Unternehmens berechnet wird – darunter kapitalmarktorienierte Verfahren wie die Discounted-Cashflow-Methode oder Preisfindungsverfahren, die sich an Multiplikatoren orientieren. BBWP zufolge kam bei beiden Berechnungsverfahren ein Preis oberhalb der von Tahoe gebotenen 0,50 Euro je Alno-Aktie heraus.
Welche gesetzlichen Vorgaben gibt es für die Berechnung des Übernahmepreises?
Laut Wertpapierübernahmegesetz muss der Preis mindestens dem gewichteten Drei-Monats-Durchschnittskurs der Aktien vor Veröffentlichung des Angebots entsprechen. Dieser lag mit 0,47 Euro unter dem Angebotspreis von 0,50 Euro.
Welche Konsequenzen ergeben sich aus der Bewertung der Wirtschaftsprüfer von BBWP?
Keine direkten. Es handelt sich nur um eine Einschätzung von BBWP, die insbesondere keine Empfehlung an die Aktionäre darstellt, das Angebot anzunehmen oder abzulehnen.
Wann legt Alno das von Tahoe verlangte Sanierungskonzept vor?
Dazu sagte Alno auf Anfrage der „Schwäbischen Zeitung“nichts.
Was macht Tahoe, wenn Alno das Konzept nicht vorlegen kann?
Das sei noch nicht klar, der Ball liege bei Alno, heißt es im Tahoe-Umfeld.