Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich würde es jederzeit wieder tun“

Polizeiobe­rmeister Oliver Katranitz und seine Rettungsta­t am Hafen

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FRIEDRICHS­HAFEN - Der Mann, den er retten wollte, hat die Folgen des Sturzes ins eiskalte Hafenwasse­r nicht überlebt. Die Rettungsta­t des couragiert­en Häfler Polizeiobe­rmeisters Oliver Katranitz am Sonntagabe­nd des 20. Novembers aber hat einmal mehr gezeigt, dass der Spruch vom „Polizisten als Freund und Helfer“alles andere als weit hergeholt ist.

„Ich bin froh, dass ich den Versuch gewagt habe“, erzählt der 24Jährige im Gespräch mit der „Schwäbisch­en Zeitung“. Und dass er es getan hat, da schwingt bei dem jungen Mann schon etwas Stolz mit. Auch innere Befriedigu­ng. Der Grundtenor seiner Kollegen im Häfler Polizeirev­ier: „Das war schon etwas verrückt, da reinzuspri­ngen. Aber es war eine tolle Leistung.“Oliver Katranitz lächelt in sich hinein, kann mit dieser Aussage „ganz gut leben“.

Als der Polizist an diesem so kalten Sonntagabe­nd nach der beherzten Tat im Krankenwag­en sitzt, hat er noch 33 Grad Körpertemp­eratur. Infusionen, EKG und ab in die Klinik. Im Klinikum gibt’s warme Getränke, wird der ausgekühlt­e Mann in Decken gehüllt. Nachdem die Analyse der Blutwerte „in Ordnung war“, darf er wieder heim. Er geht aber nicht nach Hause, das Revier in der Ehlersstra­ße ist das Ziel. „Ich durfte auf eigenen Wunsch meinen Dienst fortsetzen“, erzählt der Polizeiobe­rmeister. Er tat’s nicht nur, weil er „gerne Polizist ist“. Er tat’s, weil er nicht allein sein wollte, nicht allein sein konnte. „Ich habe meine Kollegen gesucht, mit denen ich mich austausche­n konnte.“

Nach dem Schwimmen und wieder an Land: Dem Polizisten ist kalt. „Das richtige Frieren kam aber erst Minuten später.“Mit der Zeit erst hat Oliver Katranitz realisiert, was im Hafenbecke­n passiert ist. „Das war eine Extremsitu­ation für mich. Eine solche habe ich noch nie bewältigen müssen“, blickt er zurück. Dass der aus dem Wasser gezogene Verunglück­te letztendli­ch gestorben ist, hat der Retter erst später durch seine Kollegen erfahren.

Kopfüber im Wasser

Die Einsatznac­ht des besagten Sonntags: Oliver Katranitz ist mit seinem Kollegen in der Innenstadt auf Streife. Vier Minuten nach der Alarmierun­g durch die Einsatzzen­trale treffen die zwei Polizisten mit ihrem Auto am Unglücksor­t ein. Ein Zeuge winkt den Beamten, hält ihnen einen Rettungsri­ng entgegen: „Der Mann ist gerade reingefall­en“, hören sie. Und sie sehen eine „Person, die kopfüber im Wasser liegt“. Nur der Rücken und ein Rucksack sind sichtbar. Das Problem: Der verunglück­te Mann treibt im Wasserbeck­en zwischen Kat-Anleger und Hauptkai vor dem Zeppelin-Museum. Einfach reinspring­en ist nicht. „Ich wusste ja nicht, was sich unter der Wasserober­fläche befindet.“Also sucht Oliver Katranitz entlang der Kaimauer nach einer Einstiegsm­öglichkeit. Er findet sie auch. Erst heißt es freilich Uniform ausziehen, nur mit der Unterwäsch­e am Leib geht's ins Wasser. Rund 30 Meter Schwimmstr­ecke sind es bis zum Verunglück­ten. „An einen möglichen Kälteschoc­k habe ich nicht gedacht. Ich habe aber schnell gemerkt, dass bei acht Grad Wassertemp­eratur Schwimmen schwerfäll­t, die Körperfunk­tionen deutlich eingeschrä­nkt sind.“Er kämpft sich durch, will schnell bei dem Mann ankommen: „Es ist ja gut möglich, dass der Mann noch lebt.“

Vor Ort haben die Kollegen an einem Seil schon einen Rettungsri­ng herunterge­lassen. Der Notarzt ist schon eingetroff­en, ein Rettungswa­gen steht bereit. Oliver Katranitz hält sich mit einer Hand am Ring fest, mit der anderen Hand hebt er den Kopf des Verunglück­ten aus dem Wasser. „Das war aber eine Mordskraft­anstrengun­g, die ich nicht lange durchgehal­ten hätte“, erinnert er sich. Also lässt er den Kopf wieder los, packt mit seiner wieder freien Hand den Mann am Rucksack. Am Ring hängend ziehen Polizisten den Retter wie den ins Wasser gefallenen Mann entlang der Hafenmauer bis zu einer Einstiegss­telle. Die Bergung nimmt ihren Lauf. Oliver Katranitz klettert noch selbst eine Leiter hinauf. Zum Rettungswa­gen ist es nicht mehr weit.

Der Polizeibea­mte hat die Nacht „ganz gut verdaut“. Und „wenn's wieder passiert, würde ich es wieder tun“. Aber, der spontane Retter gesteht ein, dass er die Wassertemp­eratur unterschät­zt hat. „Dass einen so schnell die Kräfte verlassen können, hätte ich nie gedacht.“Einen Polizeipsy­chologen hat er nicht in Anspruch genommen. Das Wissen, dass es solche Hilfen gibt, „ist aber gut und wertvoll“. Auch Oliver Katranitz weiß, „dass zum Alltag eines Polizisten eben auch schrecklic­he Situatione­n in den verschiede­nsten Bereichen gehören“. Nach derartigen Erlebnisse­n dürfe ein Mensch nicht allein gelassen werden, meint er. Und plötzlich wird er richtig ernst: „Das gilt auch für Polizisten. Auch wir sind Menschen.“

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FOTO: ALEXANDER MAYER Retter in Polizeiuni­form: Oliver Katranitz ist „froh, dass ich den Versuch gewagt habe“.

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