Nachbarschaftshilfe vor der Gründung
Stadt und Kirchen wollen Lücke bei der Versorgung Älterere schließen.
WANGEN - Stadt, evangelische Kirchengemeinde und acht katholische Kirchengemeinden wollen gemeinsam eine auf fast das gesamte Wangener Stadtgebiet bezogene Nachbarschaftshilfe ins Leben rufen. Sie möchten damit eine Lücke in der häuslichen Versorgung schließen und ältere, kranke sowie behinderte Menschen und deren Familien ansprechen. Basis soll ein Verein sein, den Stadt und evangelische und katholische Kirche zu je einem Drittel tragen. Voraussichtlich im Herbst könnte das Angebot starten, hieß es am Montag bei der Vorstellung der Pläne im Wangener Rathaus.
Die Probleme sind bekannt und werden drängender: Die Bevölkerung altert zusehends, dennoch leben immer mehr Betagte länger in den eigenen vier Wänden, und die Bindungen innerhalb von Familien lockern sich. Zwar gibt es einerseits medizinische oder fachliche Betreuung durch Ärzte, Krankenhäuser, stationäre und mobile Pflegeeinrichtungen sowie das Hospiz. Andererseits gibt es zudem Einrichtungen wie kirchliche Besuchsdienste oder die Initiative Herz und Gemüt, die sich vornehmlich um soziale Kontakte von Senioren kümmern.
Dazwischen aber gibt es eine „Lücke“, wie Oberbürgermeister Michael Lang am Montag sagte. Und zwar, wenn es um den Alltag geht, etwa um Hilfen im Haushalt, wie kleinere Reinigungsarbeiten, gelegentliches Wäschewaschen, aber auch Einkäufe oder Besuche und Spaziergänge.
Plan: Ehrenamtliche unterwegs
Stadt und Kirchen wollen diese Lücke schließen, wie Lang und die beiden Pfarrer Claus Blessing (katholische Kirche) und Martin Sauer (evangelische Kirche) bekunden. Die drei Trägerorganisationen möchten deshalb den Verein „Nachbarschaftshilfe Wangen im Allgäu“gründen. Auf dessen Basis können Ehrenamtliche derlei Aufgaben erfüllen. Koordiniert werden soll deren Arbeit von einer halbtags tätigen hauptamtlichen Kraft. Sie soll beim Verein angestellt und von diesem bezahlt werden. „Gut wäre, wenn er oder sie Erfahrungen mit sozialen Themen hat“, erläutert Ordnungsund Sozialamtsleiter Kurt Kiedaisch.
Die Ehrenamtlichen erhalten nach den Vorstellungen von Lang, Blessing und Sauer Aufwandsentschädigungen. Deshalb wird die Nachbarschaftshilfe nicht kostenlos sein. Claus Blessing nannte eine Bandbreite von elf bis 13 Euro, die Hilfsbedürftige zahlen müssten. Pro Stunde und unabhängig von den jeweils zu erledigenden Aufgaben.
Klare Grenzen bei Aufgaben
Klar ist, dass deren Spektrum klare Grenzen haben sollen: Das gilt beispielsweise für alle Dinge, bei denen medizinische Kenntnisse und entsprechende Ausbildungen vonnöten sind. Auch will man keine Plattformen für „günstige Haushaltshilfen“bieten, sagt Kurt Kiedaisch.
Und den Besuchsdiensten sowie Herz und Gemüt soll ebenfalls keine „Konkurrenz“erwachsen. Gleiches gilt übrigens für ähnliche Organisationsformen in Nachbargemeinden wie Amtzell – und in Wangen für den Bereich Neuravensburg: Dort gibt es bereits den örtlichen Kranken- und Nachbarschaftshilfeverein. Deswegen treten die katholischen Kirchengemeinden Schwarzenbach und Roggenzell dem Verein zum jetzigen Zeitpunkt nicht bei, wie es am Montag hieß.
Darin aufgehen soll aber die gleichlautende, noch bestehende Angebotssparte der Sozialstation St. Vinzenz, die in ihren Ursprüngen seit 1980 besteht. Laut Lang, Blessing und Sauer hätten Gespräche ergeben, dass St. Vinzenz in der neuen Nachbarschaftshilfe kein Problem sähe. Im Gegenteil. Und der OB hofft, dass etliche der aktuell bei der Sozialstation in der Nachbarschaftshilfe Tätige künftig im Auftrag des Vereins unterwegs sein könnten.
„Starkes ökumenisches Signal“
Wie groß der Bedarf konkret ist, können die drei Verantwortlichen, die auch das künftige Vorstandstrio des Vereins bilden dürften, noch nicht konkret abschätzen. Pfarrer Blessing schätzt ihn – auch aus seiner Zeit beim Dekanat Allgäu-Oberschwaben – als gehörig ein. So mache die katholische Kirche in Bodnegg bereits ein solches Angebot: 50 bis 60 Nachbarschaftshelfer seien dort organisiert. Zudem sieht er das Engagement als „starkes ökumenisches Signal“. Der Rathauschef ergänzt: „Wie groß die Lücke ist, werden wir sehen, wenn es das Angebot gibt.“Allerdings sei er von verschiedener Seite bereits auf den Bedarf hingewiesen worden.
Für Amtsleiter Kurt Kiedaisch schließt sich mit dem geplanten neuen Angebot in gewissem Sinn übrigens ein Kreis: „Nachbarschaftshilfe wurde früher viel stärker gelebt.“Der Unterschied zu der Initiative von Stadt und Kirchen sei, dass es jetzt organisiert wird.