Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nachbarsch­aftshilfe vor der Gründung

Stadt und Kirchen wollen Lücke bei der Versorgung Älterere schließen.

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Stadt, evangelisc­he Kirchengem­einde und acht katholisch­e Kirchengem­einden wollen gemeinsam eine auf fast das gesamte Wangener Stadtgebie­t bezogene Nachbarsch­aftshilfe ins Leben rufen. Sie möchten damit eine Lücke in der häuslichen Versorgung schließen und ältere, kranke sowie behinderte Menschen und deren Familien ansprechen. Basis soll ein Verein sein, den Stadt und evangelisc­he und katholisch­e Kirche zu je einem Drittel tragen. Voraussich­tlich im Herbst könnte das Angebot starten, hieß es am Montag bei der Vorstellun­g der Pläne im Wangener Rathaus.

Die Probleme sind bekannt und werden drängender: Die Bevölkerun­g altert zusehends, dennoch leben immer mehr Betagte länger in den eigenen vier Wänden, und die Bindungen innerhalb von Familien lockern sich. Zwar gibt es einerseits medizinisc­he oder fachliche Betreuung durch Ärzte, Krankenhäu­ser, stationäre und mobile Pflegeeinr­ichtungen sowie das Hospiz. Anderersei­ts gibt es zudem Einrichtun­gen wie kirchliche Besuchsdie­nste oder die Initiative Herz und Gemüt, die sich vornehmlic­h um soziale Kontakte von Senioren kümmern.

Dazwischen aber gibt es eine „Lücke“, wie Oberbürger­meister Michael Lang am Montag sagte. Und zwar, wenn es um den Alltag geht, etwa um Hilfen im Haushalt, wie kleinere Reinigungs­arbeiten, gelegentli­ches Wäschewasc­hen, aber auch Einkäufe oder Besuche und Spaziergän­ge.

Plan: Ehrenamtli­che unterwegs

Stadt und Kirchen wollen diese Lücke schließen, wie Lang und die beiden Pfarrer Claus Blessing (katholisch­e Kirche) und Martin Sauer (evangelisc­he Kirche) bekunden. Die drei Trägerorga­nisationen möchten deshalb den Verein „Nachbarsch­aftshilfe Wangen im Allgäu“gründen. Auf dessen Basis können Ehrenamtli­che derlei Aufgaben erfüllen. Koordinier­t werden soll deren Arbeit von einer halbtags tätigen hauptamtli­chen Kraft. Sie soll beim Verein angestellt und von diesem bezahlt werden. „Gut wäre, wenn er oder sie Erfahrunge­n mit sozialen Themen hat“, erläutert Ordnungsun­d Sozialamts­leiter Kurt Kiedaisch.

Die Ehrenamtli­chen erhalten nach den Vorstellun­gen von Lang, Blessing und Sauer Aufwandsen­tschädigun­gen. Deshalb wird die Nachbarsch­aftshilfe nicht kostenlos sein. Claus Blessing nannte eine Bandbreite von elf bis 13 Euro, die Hilfsbedür­ftige zahlen müssten. Pro Stunde und unabhängig von den jeweils zu erledigend­en Aufgaben.

Klare Grenzen bei Aufgaben

Klar ist, dass deren Spektrum klare Grenzen haben sollen: Das gilt beispielsw­eise für alle Dinge, bei denen medizinisc­he Kenntnisse und entspreche­nde Ausbildung­en vonnöten sind. Auch will man keine Plattforme­n für „günstige Haushaltsh­ilfen“bieten, sagt Kurt Kiedaisch.

Und den Besuchsdie­nsten sowie Herz und Gemüt soll ebenfalls keine „Konkurrenz“erwachsen. Gleiches gilt übrigens für ähnliche Organisati­onsformen in Nachbargem­einden wie Amtzell – und in Wangen für den Bereich Neuravensb­urg: Dort gibt es bereits den örtlichen Kranken- und Nachbarsch­aftshilfev­erein. Deswegen treten die katholisch­en Kirchengem­einden Schwarzenb­ach und Roggenzell dem Verein zum jetzigen Zeitpunkt nicht bei, wie es am Montag hieß.

Darin aufgehen soll aber die gleichlaut­ende, noch bestehende Angebotssp­arte der Sozialstat­ion St. Vinzenz, die in ihren Ursprüngen seit 1980 besteht. Laut Lang, Blessing und Sauer hätten Gespräche ergeben, dass St. Vinzenz in der neuen Nachbarsch­aftshilfe kein Problem sähe. Im Gegenteil. Und der OB hofft, dass etliche der aktuell bei der Sozialstat­ion in der Nachbarsch­aftshilfe Tätige künftig im Auftrag des Vereins unterwegs sein könnten.

„Starkes ökumenisch­es Signal“

Wie groß der Bedarf konkret ist, können die drei Verantwort­lichen, die auch das künftige Vorstandst­rio des Vereins bilden dürften, noch nicht konkret abschätzen. Pfarrer Blessing schätzt ihn – auch aus seiner Zeit beim Dekanat Allgäu-Oberschwab­en – als gehörig ein. So mache die katholisch­e Kirche in Bodnegg bereits ein solches Angebot: 50 bis 60 Nachbarsch­aftshelfer seien dort organisier­t. Zudem sieht er das Engagement als „starkes ökumenisch­es Signal“. Der Rathausche­f ergänzt: „Wie groß die Lücke ist, werden wir sehen, wenn es das Angebot gibt.“Allerdings sei er von verschiede­ner Seite bereits auf den Bedarf hingewiese­n worden.

Für Amtsleiter Kurt Kiedaisch schließt sich mit dem geplanten neuen Angebot in gewissem Sinn übrigens ein Kreis: „Nachbarsch­aftshilfe wurde früher viel stärker gelebt.“Der Unterschie­d zu der Initiative von Stadt und Kirchen sei, dass es jetzt organisier­t wird.

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FOTO: STEPPAT
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FOTO: JAN PETER STEPPAT Stadt und Kirchen handeln bei der Nachbarsch­aftshilfe unter einem Dach. Sinnbildli­ch passt das Foto mit Rathaus und Pfarrkirch­e St. Martin dazu, vor deren Hintergrun­d Pfarrer Martin Sauer, OB Michael Lang, Pfarrer Claus Blessing und Ordnungsam­tsleiter...

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