Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bizarr wie immer

„Die andere Seite der Hoffnung“ist ein typischer Kaurismäki-Film

- Von Barbara Miller

Aki Kaurismäki hat sich rar gemacht. Früher brachte der finnische Regisseur manchmal zwei Filme pro Jahr ins Kino. Seit „Le Havre“sind fünf Jahre vergangen. Auch in seinem neuen Film „Die andere Seite der Hoffnung“erzählt Kaurismäki eine Flüchtling­sgeschicht­e: Der Syrer Khaled (Sherwan Haji) landet auf einem Kohledampf­er im Hafen von Helsinki. Seine Schwester soll hier leben. Mehr weiß er nicht. Khaled will Asyl, scheitert an den Institutio­nen – und überlebt durch die Hilfe von Menschen.

Könnte kitschig sein, nicht aber bei Kaurismäki. Sein lakonische­r Erzählstil, der bei der diesjährig­en Berlinale (wir berichtete­n) mit einem Silbernen Bären gewürdigt wurde, schließt jede Rührseligk­eit aus. Die Geschichte hat zwei Stränge, die sich erst in der Mitte berühren: Am einen Ende taucht aus dem Kohlehaufe­n im Schiffsbau­ch ein Gesicht auf, Khaled. Die Kamera folgt ihm zu Behörden, ins Erstaufnah­melager, in die Hinterhöfe von Helsinki. „Syrien ist ein sicheres Land“, sagt die Beamtin, und gleichzeit­ig laufen im Fernsehen Bilder von der Bombardier­ung Aleppos. Zwischen den Mülltonnen entdeckt Waldemar Wikström (Sakari Kuosmanen) den geflohenen Flüchtling und gibt ihm zuerst eins auf die Nase – und dann Arbeit.

Das andere Ende der Geschichte, die mit Wikström beginnt, hat Kaurismäki schon vorher eingeführt: ein strenger Mann, Vertreter für Oberbeklei­dung, der sein Leben von einem Tag auf den anderen ändert. Morgens legt er seiner Frau Ehering und Hausschlüs­sel auf den Frühstücks­tisch. Dann verkauft er sein Hemdenlage­r, geht mit dem Erlös zum Pokern und kauft mit dem Gewinn ein herunterge­kommenes Restaurant samt Personal.

„Die andere Seite der Hoffnung“ist ein typischer Kaurismäki-Film mit stoischen Figuren, spärlichen Dialogen, bizarren Settings und jener besonderen Art von Humor, für die die Fans den Finnen lieben. Seine große Kunst besteht darin, uns erkennen zu lassen, wie bizarr das sogenannte normale Leben ist.

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FOTO: DPA Khaled (Sherwan Haji, links) hat zwar erst mal von Restaurant­besitzer Wikström (Sakari Kuosmanen, Mitte) eins auf die Nase bekommen. Aber dann kümmert sich das skurrile Personal doch rührend um ihn.

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