Schwäbische Zeitung (Wangen)

Präzedenzf­all

- Von Jan Peter Steppat j.steppat@schwaebisc­he.de

Der Streit um die auf Stelzen stehenden Solartherm­ieanlagen im AlbertSche­urle-Weg hat zwei Facetten: eine emotionale und eine rechtliche.

Emotional ist man geneigt zu sagen: Die Hauseigent­ümer haben richtig agiert. Sie nehmen eine ihnen von der Stadt auferlegte Energieber­atung wahr und handeln entspreche­nd. Was soll daran falsch sein? Dass das Gespräch im städtische­n Bauamt lief, ist eine zusätzlich­e Pikanterie am Rande. Und: Die Eigentümer­familien haben das Mögliche heraushole­n wollen: für sich und ihre Heizungsan­lage, aber auch für den Klimaschut­z. Moralisch kann man ihnen da nichts vorwerfen.

Die Stadt wiederum argumentie­rt stringent und rechtlich: Es gibt einen gültigen Bebauungsp­lan, und an den haben sich Bauherren zu halten. Dass sich einige von ihnen hierzu vorher kundig gemacht und das „Aufständer­ungsverbot“beachtet haben, spricht ebenfalls für die Haltung der Verwaltung. Denn gleiches Recht muss für alle gelten. Handelt die Stadt nicht danach, schafft sie Präzedenzf­älle und macht sich angreifbar.

Allerdings liegt in diesem Recht das eigentlich­e Problem begründet: Der Bebauungsp­lan stammt von 2008. Einer Zeit vor der politische­n Energiewen­de also. Damals hat man offenbar nicht darauf geachtet, welche Ausrichtun­g Pultdächer zum Sonnenstan­d haben müssen, die eine optimale Ausnutzung von Solaranlag­en ermöglicht. Nord/ Nordost, wie vorgeschri­eben, ist es jedenfalls nicht. Und später nachgebess­ert wurde auch nicht.

Zu diesen kniffligen (Rechts-)Fragen kommt ein allgemeine­r Aspekt hinzu: 2015 wurde die Landesbauo­rdnung geändert – und mit ihr die Bedeutung der Solarenerg­ie auf Dächern aufgewerte­t. Zu klären wäre also: Welches Rechtsgut hat seither einen höheren Stellenwer­t? Das gestalteri­sche oder das umweltpoli­tisch begründete? Ohne dem allgemeine­n Trend das Wort zu reden, alles Strittige in die Waage von Justitia zu legen: Angesichts der Lage des Ill-Beck-Geländes fern der Altstadt und der völlig anders gestaltete­n baulichen Umgebung, wäre eine Klärung dieser Frage allgemein sicher aufschluss­reich. Insofern könnte der Streit um den AlbertSche­urle-Weg in der Tat zu einem Präzedenzf­all werden.

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