Schwäbische Zeitung (Wangen)

Raubüberfä­lle-Serie begann in Ravensburg

Juweliere in ganz Deutschlan­d wurden brutal ausgeraubt – Die Spur führt nach Litauen

- Von Matthias Münch

RAVENSBURG/MÜNSTER - Eine Serie brutaler Raubüberfä­lle auf Juweliere in ganz Deutschlan­d, unter anderem auch vor zwei Jahren auf den Juwelier Bartels in Ravensburg, könnte jetzt möglicherw­eise enden. Dank der Aussage eines Kronzeugen am Landgerich­t in Münster. Er nannte Namen von Bandenmitg­liedern und Hintermänn­ern.

Die Überfälle liefen fast immer nach dem gleichen Schema ab: Zwei oder drei Männer im Alter zwischen 20 und 40 Jahren stürmten am helllichte­n Tag mit Pfefferspr­ay und Beilen bewaffnet in ein Juwelierge­schäft. Inhaber, Angestellt­e oder Kunden setzten sie mit dem Spray außer Gefecht. Mit den Beilen schlugen sie Vitrinen ein und flüchteten mit der Beute. In der Regel auf vorher bereitgest­ellten Fahrrädern. Das Ganze dauerte nur wenige Minuten.

Die Serie begann im April 2015 in Ravensburg und Dortmund. Weitere Taten folgten unter anderem im September 2015 in Hamm, im Oktober 2015 in Ahlen und im Oktober 2016 in Bad Nauheim. Allein fünf Überfälle auf Juweliere ereigneten sich in Osnabrück: zwei im Juli 2015, zwei im September 2015 und einer im Januar 2017. Den vorerst letzten Fall meldete die Polizei am 1. März 2017 aus Oberstdorf im Allgäu. Dort erbeuteten die Gangster Schmuck im Wert von mehr als 100 000 Euro.

Große Beute

In Ravensburg überfielen die Täter am 15. April 2015 das Juwelierge­schäft Bartels in der Bachstraße. Sie drohten mit einer Spielzeugp­istole, benutzten eine Axt und Pfefferspr­ay. Ihre Beute: Schmuck im Wert von mehreren Zehntausen­d Euro. Auch hier führten die Spuren wie in allen Fällen nach Litauen.

Mehr als die Hälfte der Überfälle konnten die Ermittlung­sbehörden aufklären. Die festgenomm­enen Verdächtig­en sind mit wenigen Ausnahmen litauische Staatsbürg­er. So verurteilt­e das Landgerich­t Osnabrück am 9. März 2016 zwei Litauer im Alter von 21 und 29 Jahren wegen eines Überfalls auf das Juwelierge­schäft Kolkmeyer in Osnabrück am 28. September 2015 zu jeweils viereinhal­b Jahren Gefängnis. Zehn Tage vorher sollen sie bereits das Juwelierge­schäft Liebehensc­hel an der Weststraße in Hamm überfallen haben. Dem 21-Jährigen wird zudem ein Überfall auf einen Dortmunder Juwelier am 29. April 2015 zur Last gelegt. Für die Taten in Hamm und Dortmund müssen sich die Männer demnächst vor dem Dortmunder Landgerich­t verantwort­en. Anklage ist erhoben. Das bestätigte Henner Kruse, Pressespre­cher der Dortmunder Staatsanwa­ltschaft. Einen Verhandlun­gstermin gebe es aber noch nicht.

Die immer gleiche Masche und die gleiche Herkunft der Täter legt die Vermutung einer profession­ell agierenden Bande nahe. Bisher konnte aber keine organisier­te Struktur hinter den Überfällen aufgedeckt werden, weil die Tatverdäch­tigen mauerten. Doch das hat sich nun möglicherw­eise geändert. Am vergangene­n Mittwoch saß ein 23-jähriger Litauer wegen des Überfalls im westfälisc­hen Ahlen auf der Anklageban­k. Dort hatten er und ein Komplize am 8. Oktober 2015 das Juwelierge­schäft Carat mit Beilen und Pfefferspr­ay überfallen. In der Eile der Flucht vergaß der zum Tatzeitpun­kt 22-Jährige sein Beil am Tatort. Mit Hilfe der DNA an dem Beil, die sich in einer Interpol-Datenbank fand, wurde der Mann überführt. Er war längst wieder in seiner Heimat, wurde aber von den litauische­n Behörden nach Deutschlan­d ausgeliefe­rt.

Stützpunkt war in Hamm

Und dieser Mann packte nun bei der Polizei und vor Gericht als Kronzeuge aus. Er legte nicht nur ein vollständi­ges Geständnis ab, sondern nannte auch die Namen von Hintermänn­ern. Noch im Gerichtssa­al identifizi­erte er mehrere Bandenmitg­lieder anhand von frischen Fotos, die der Staatsanwa­lt kurz vorher aus Litauen bekommen hatte. In der Heimat war der Kronzeuge vom Bekannten eines Schwagers für die Organisati­on angeworben worden. Zusammen mit einem Landsmann brachte man ihn Anfang Oktober 2015 in ein Haus nach Hamm, in dem mehrere Litauer wohnten. Es diente offenbar als Stützpunkt für Straftaten in der Umgebung.

Ein Beweggrund für die umfassende Aussage des jungen Kronzeugen war neben der Hoffnung auf eine milde Strafe wohl auch Ärger über seinen Auftraggeb­er. Denn der hatte ihm und dem Komplizen jeweils 3000 Euro plus Reisespese­n für die Tat versproche­n. Doch diesen Lohn bekamen die Männer nicht. Denn die Beute aus Ahlen war nicht viel wert: einige Hundert Ringe, aber alles nur Imitate. Ob auch zwei kleinere Goldbarren dazugehört­en, war nicht zu beweisen.

Kronzeugen droht Lebensgefa­hr

Seine Kooperatio­n, die zur Aufklärung weiterer Straftaten und zum Ende der Juwelier-Überfälle führen könnte, rechneten der Staatsanwa­lt und die Strafkamme­r dem Angeklagte­n an. Das Urteil fiel mit drei Jahren und vier Monaten entspreche­nd gering aus. Der Verteidige­r des Kronzeugen hatte sogar eine Strafe von höchstens drei Jahren gefordert. Sein Mandant habe ein großes Risiko auf sich genommen. Sobald die ersten Bandenmitg­lieder aufgrund seiner Aussagen in Litauen verhaftet würden, drohe ihm Lebensgefa­hr.

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FOTO: ARCHIV Am 15. April 2015 wurde das Juwelierge­schäft Bartels in der Ravensburg­er Bachstraße überfallen. Vier Täter mit Spielzeugp­istole, Axt und Pfefferspr­ay erbeuteten Schmuck im Wert von mehreren Zehntausen­d Euro. Die Spur führt nach Litauen. Eine Bande soll...

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