Bindstraße mit Feier offiziell eingeweiht
Es gab ein buntes Programm, Führungen und ein Dankeschön von der Stadt.
WANGEN - Geschichte und Geschichten waren am Samstag bei den Feierlichkeiten rund um die Bindstraßen-Einweihung geboten. Beate Leupolz und Andreas Rommel führten Interessierte durch die seit rund 600 Jahren existierende Straße und erzählen Heiteres, Tragisches und Markantes zu jenem Ort, der in den vergangenen Jahren durch seine Sanierung eine massive Aufwertung fand.
Was eigentlich ist sie genau, die Bindstraße? Und wo kommt ihr Name her? „So ganz genau wissen wir es nicht“, sagte Stadtführer Andreas Rommel. Fest aber steht: Bis etwa ins Jahr 1400 war es der Gemüse-, Obstund Getreidegarten der Stadt. Also von allem, was man (zusammen) binden musste. Als dann schließlich die Besiedlung in der „Unterstadt“begann, war das Georgentor das östliche Zugangstor – und das Gasthaus zum Goldenen Kreuz Herberge für die Webergesellen.
Das Goldene Kreuz war im Jahr 1900 auch Ort eines ganz besonderen Ereignisses: dem Wangener Bieraufstand, der daraus resultierte, dass der Bierpreis aufgrund einer schlechten Braugerstenernte von sechs auf sieben Pfennig erhöht werden sollte. „400 Wangener kamen und protestierten“, erzählte Rommel. Und nicht nur das: Sie verabredeten einen zweimonatigen Bierstreik, der die Brauer aus der Region in die Knie zwingen sollten. So ganz ernst nahm es allerdings nicht jeder mit der selbstverordneten Abstinenz – und fand Wege an den platzierten Streikposten vorbei. Schließlich fand sich ein Kompromiss – und ein Preis in Höhe von sechs Pfennig für den Viertelund 13 Pfennig für den HalbliterVerzehrer.
Brände und Hochwasser
Eine schlimme Zeit erlebten die Bindsträßler Ende des 18. Jahrhunderts mit zwei Bränden (1770 und 1793) und einem verheerenden Hochwasser 1789. Nach dem Stadtbrand 1793 war der damalige LammWirt Johann Baptist Sipple eigentlich ruiniert – und haderte mit der Obrigkeit der Stadt. Seine Morddrohungen gegen die Stadtoberen brachten ihn hinter Gitter, wo er aber auch keine Ruhe gab. Schließlich wurde eigens für ihn im Spital ein fensterloses Blockhaus errichtet.
Deutlich weniger rebellisch zeigten sich die Antonier des Antoniterordens Ravensburg. „Sie waren auch in Wangen tätig“, erzählte Rommel am Standort Antoniusbrunnen. Im Mittelalter litten Menschen an Ergotismus, einer Symptomatik, die durch das unreife und damit giftige Mutterkorn ausgelöst wurde – und die die Menschen zunächst den Schweinen zuschoben. Die Antonier heilten – und klärten auf. Und ließen sich mit kleinen Ferkeln „bezahlen“, die sie mit dem nächsten Wurf wieder zurückgaben.
Bitter wurde es für die Wangener in den Jahren 1815/16, in denen es infolge eines Vulkanausbruchs in Indonesien zu Klimaveränderungen kam, die sich auch im Voralpenraum mit Missernten auswirkten. „Die Menschen aßen Blätter, Gras, Rinde, Wurzeln, Heu, Kleide und Mehlstaub“, sagte Rommel. Im damals 1300 Einwohner großen Wangen wurde an 72 Familien aus Sägmehl, Rüben und Stroh hergestelltes „Gnadenbrot“verteilt.
Nicht fehlen durfte auch jene Geschichte, dass aus den Steinen des im Spiel verlorenen und abgerissenen Haus der Praßberger am Marktplatz die 1719 erbaute, neue Spitalkirche entstand. Und: Andreas Rommel erinnerte an Maria Neff, die Tochter des letzten Müllers der Eselmühle. Sie verkaufte schließlich – nach langer Überzeugungsarbeit des früheren OB Jörg Leist – das Gebäude an die Stadt. Damit schloss sich für Stadtführer Rommel der Kreis von 600 Jahren: „Es war der Anfang der Wiederbelebung dieses Kleinods rund um die Eselmühle, das es ohne den Verkauf nicht gegeben hätte und ohne den wir heute kein so schönes Fest feiern könnten.“