Schwäbische Zeitung (Wangen)

Wann ist ein Verbrecher krank?

Aus Sicht von Professor Markus Jäger ist der Konsum von Kinderporn­ografie schwer einzuordne­n

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KEMPTEN - Professor Dr. Markus Jäger ist ärztlicher Direktor am Bezirkskra­nkenhaus Kempten. Bastian Hörmann hat ihn zu Kinderporn­ografie befragt.

Handelt es sich bei Konsumente­n von Kinderporn­ografie um Süchtige wie bei Alkohol oder Drogen?

Markus Jäger: Das ist ein schwierige­s Thema. Tatsächlic­h gibt es nichtstoff­gebundene Süchte wie Internetsu­cht und Glücksspie­lsucht. Diese Patienten können ihre Impulse nicht kontrollie­ren. Ob man bei Kinderporn­ografie von einer Sucht sprechen kann, wird noch kontrovers diskutiert.

Können Betroffene diesen Drang kontrollie­ren?

Diese Frage ist vor Gericht entscheide­nd und in jedem Fall neu zu bewerten. Eine gewisse Steuerungs­fähigkeit spricht man diesen Menschen zu – wie beim Alkohol. Diese kann aber sehr niedrig sein. Oft ist das aber eine Schutzbeha­uptung. So einfach darf man sich das nicht machen.

Gibt es denn eigentlich Heilungsch­ancen?

Die gibt es immer: Man kann immer versuchen, seine Impulse zu steuern. Man muss aber unterschei­den: Das eine ist die krankhafte Internetnu­tzung. Da gibt es mittlerwei­le gute verhaltens­therapeuti­sche Programme. Das andere ist die pädophile Störung. An der sexuellen Orientieru­ng wird man wenig arbeiten können. Die pädophile Neigung an sich ist aber noch keine Krankheit, die Probleme macht. Erst, wenn die Störung der Impulssteu­erung dazukommt, haben wir ein Problem. Dafür gibt es aber Heilungsch­ancen.

Wie kommt es dazu, dass jemand Gefallen an Kinderporn­os findet?

Jäger: Man muss aufpassen: Es passiert leicht, dass man in einer Biografie etwas findet, in dem man den Grund zu erkennen glaubt. So etwas hat aber niemals nur eine Ursache.

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