Flughafen und Hotelangebot Sorgenkinder
Wirtschaftsforum pro Ravensburg will rasante Entwicklung der Stadt maßgeblich mitgestalten
RAVENSBURG - Die Ravensburger Wirtschaft will die „unglaublich dynamische“Entwicklung, die die Stadt derzeit erlebt, maßgeblich mitgestalten. Diesen Anspruch hat der Vorstand des Wirtschaftsforums pro Ravensburg (Wifo) formuliert. Im unerwarteten Wachstum sieht das Wifo, das die Interessen von 335 Betrieben gegenüber Verwaltung und Kommunalpolitik vertritt, große Chancen, aber auch Risiken, so Vorstandssprecher Norbert Martin.
Um bis zu 100 Einwohner jeden Monat ist Ravensburg zuletzt gewachsen, jedes Jahr entstehen in der Stadt derzeit 1000 neue Arbeitsplätze. Die Gewerbegebiete sind fast voll, die Verwaltung plant neue Baugebiete und muss in die Erweiterung von Kindergärten investieren. „Es ist richtig Dampf im Kessel. Das ist schön, bringt aber auch viele Veränderungen mit sich“, sagte Martin in einem Pressegespräch. Für eine weitere gute Entwicklung des Wirtschaftsstandortes Ravensburg sei es entscheidend, Ökonomie und Ökologie miteinander in Einklang zu bringen. Das Wifo fordere dafür einen „weiter konstruktiven Dialog“mit Verwaltung und Politik ein.
Auf Konfrontationskurs geht das Wifo dabei zum Bürgerforum Altstadt: Der Verein hatte vor kurzem vor den Folgen eines aus seiner Sicht unkontrollierten Wachstums gewarnt und eine „Scheindemokratie“in der Stadt kritisiert. Martin: „Diese Einstellung halten wir für rückwärtsgewandt, außerdem können wir absolut keine Scheindemokratie erkennen.“Kritik am Einfluss der Wirtschaft will das Wifo ohnehin nicht gelten lassen. „Es ist die Wirtschaft, die für diese Dynamik sorgt.“Gleichwohl müsse die Kommune „gesund“weiterwachsen.
Die Lebensqualität müsse obenan stehen, deshalb dürfe auch der angekündigte Luftreinhalteplan für Ravensburg nicht einfach abgetan werden. Das Wifo werde sich nicht gegen „vernünftige, machbare und zeitlich umsetzbare Maßnahmen wehren“. Eine gute Erreichbarkeit der Innenstadt habe aber hohe Priorität.
Eine gute Verkehrsanbindung und bezahlbare Wohnungen bleiben für die Wifo-Vorstände zentrale Themen. „Mit dem Ausbau der B 30, der Elektrifizierung der Südbahn und der Aufnahme des Molldietetunnels in den Bundesverkehrswegeplan sind wichtige Grundsteine gelegt worden“, sagte Vorstandssprecher Florian Burk. Sorgen macht ihm aber der schwächelnde Flughafen Friedrichshafen: „Wir haben hier für unsere Unternehmen keine Kontinuität und eine schlechte Anbindung an den Rest der Republik.“
Thomas Reischmann, Wifo-Vorstandssprecher für den Handel und die Gastronomie, sieht eine Zuspitzung im Wettbewerb der Städte. Ravensburg habe sich hier dank einer gemeinsamen Marketing-Strategie von Stadt und Wifo sehr gut aufgestellt. „Das zahlt sich aus. Wir sind als Einkaufsstadt Marktführer in der Region, unsere Kunden kommen auch aus Bad Waldsee und Biberach.“Damit das so bleibt, brauche es große zusammenhängende Gewerbeflächen in der Stadt. Verwaltung und Gemeinderat müssten sich für entsprechende Entwicklungen öffnen und zugleich mehr Manpower schaffen, glaubt Reischmann. Das gelte vor allem für das Bauamt, aber auch bei der Digitalisierung sei noch viel Luft nach oben. Das Wifo wiederholte seine Forderung nach einem Digitalbeauftragten der Stadt.
Das Ravensburger Zentrum habe sich nicht zuletzt auch wegen des neuen Gänsbühl-Centers gut entwickelt. Reischmann: „Jetzt muss noch der neue Gespinstmarkt kommen.“Eine Fußgängerzone lehnt das Wifo in diesem Bereich ab.
Froh sind die Händler, dass das befürchtete Chaos durch die Schließung der Marienplatzgarage bisher nicht eingetreten sei. Die Stadt sei gut vorbereitet gewesen. Sorgen hingegen bereitet Reischmann und seinen Kollegen, dass die Pläne für ein Hotel im gehobenen Segment wieder nicht recht voranzukommen scheinen: „Weder am Hofgut Büchel noch beim Stadthotel tut sich derzeit erkennbar etwas.“
Vor dem Hintergrund rasanter Veränderungen befasst sich das Wifo auch mit der Frage, ob Strategien wie der „Ravensburger Weg“neu ausgerichtet werden müssen. Eindeutig bleibe aber das grundsätzliche Bekenntnis vom „Innen vor Außen“: „Einkaufzentren auf der grünen Wiese sind jetzt noch schädlicher als früher“, so Thomas Reischmann.