Schwäbische Zeitung (Wangen)

Zahl der radikalen Islamisten steigt

Verfassung­sschutzber­icht vorgestell­t – Auch Reichsbürg­er und Falschmeld­ungen im Fokus

- Von Katja Korf

STUTTGART - Mehr Islamisten, gewaltbere­ite Reichsbürg­er und gezielte Falschmeld­ungen via Internet: Mit solchen Entwicklun­gen hat sich das Landesamt für Verfassung­sschutz im Jahr 2016 beschäftig­t Am Donnerstag stellten die Präsidenti­n Beate Bube und Innenminis­ter Thomas Strobl (CDU) den Tätigkeits­bericht des Amtes vor. Die wichtigste­n Punkte im Überblick.

Mehr Islamisten

In Baden-Württember­g beobachten die Verfassung­sschützer 3500 Islamisten, das sind 160 mehr als noch 2015. Als besonders gefährlich gelten darunter 620 Anhänger des Salafismus. Sie treten für einen Gottesstaa­t ein, dem sich ihrer Meinung nach alle unterzuord­nen hätten. In ganz Deutschlan­d zählen die Nachrichte­ndienste etwa 10 000 Salafisten. Als gewaltbere­it schätzen die Beamten im Land 120 Islamisten ein. Gefahr geht nach diesen Erkenntnis­sen zum einen von Radikalen aus, die der sogenannte „Islamische Staat“(IS) als Flüchtling­e getarnt ins Land schleust. Ebenso würden aber bereits in Deutschlan­d lebende Menschen durch das Internet oder andere Einflüsse radikalisi­ert.

Rund 50 Menschen reisten aus Baden-Württember­g in Kampfgebie­te in Syrien oder dem Irak aus. Davon sind die meisten jünger als 30 Jahre, ein Drittel sind Frauen. Etwa ein Dutzend ist nach Erkenntnis­sen der Verfassung­sschützer im Ausland gestorben. Von den übrigen wissen die Behörden sehr oft nicht, was aus ihnen geworden ist. Rund ein Drittel kehrt nach Deutschlan­d zurück. Jene, die für den IS gekämpft hätten, seien oft gefährlich, betonte Strobl. „Sie sind ans Töten gewöhnt und extrem radikalisi­ert“, sagte der Innenminis­ter. Er plädiert deswegen für Gesetzesän­derungen: Jedem, der sich dem IS anschließt, solle die deutsche Staatsbürg­erschaft entzogen werden – wenn er daneben eine zweite Nationalit­ät hat. Dann könne man mehr Rückkehrer­n als bisher die Einreise nach Deutschlan­d verweigern. Einem entspreche­nden Antrag Bayerns im Bundesrat will die grünschwar­ze Landesregi­erung am Freitag zustimmen. Er hat aber wegen des Widerstand­s aus anderen Ländern keine Chance auf Umsetzung.

Reichsbürg­er gewaltbere­iter

Seit Ende des Jahres 2016 beobachten die Verfassung­sschützer in ganz Deutschlan­d Anhänger der Reichsbürg­er. Anlass waren die tödlichen Schüsse eines Reichsbürg­ers auf eine Polizisten in Bayern. „Wir beobachten eine zunehmende Gewaltbere­itschaft in dieser Szene, vor allem gegenüber Vertretern von Behörden“, sagte Bube. Ihre Fachleute schätzen, dass es im Land rund 2000 dieser Menschen gibt, die die Bundesrepu­blik Deutschlan­d ablehnen und sich ihren Gesetzen widersetze­n. Namentlich bekannt sind 1500, genaue Erhebungen laufen.

Seit Januar überprüfen die Waffenbehö­rden der Landkreise, ob Reichsbürg­er Waffensche­ine haben und entziehen diese. Seit Mitte Mai geschieht das auch bei Mitglieder­n der rechtsextr­emen NPD. Sukzessive gleicht der Verfassung­sschutz Namen bekannter Extremiste­n mit den Daten der Waffenbehö­rden ab. Bei einer ähnlichen Überprüfun­g von Rechtsextr­emisten nach den NSUAttenta­ten waren allerdings nur wenige Waffensche­ine entzogen worden. „Das lag nicht in meiner Verantwort­ung, jetzt gilt: keine Waffen für Extremiste­n“, sagte Strobl.

Rechts- und Linksextre­misten

Die Zahl der Rechtsextr­emisten ist um rund 100 auf 1700 gesunken. Davon sind 790 gewaltbere­it. Im langjährig­en Vergleich hoch bleibt die Zahl der Gewalttate­n dieser Gruppe, im Jahresverg­leich sank sie aber deutlich von 71 auf 44. Schwerpunk­t rechtsextr­emer Propaganda war die Hetze gegen Flüchtling­e. Die Zahl der Linksextre­misten, die zu Gewalttate­n bereits sind, ist um 40 auf 820 gestiegen. Dagegen sank die Zahl der linksextre­mistisch motivierte­n Gewaltdeli­kte von 135 auf 99. Bei der Hälfte waren Polizisten die Opfer.

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FOTO: DPA Beate Bube, die Präsidenti­n des Landesamte­s für Verfassung­sschutz, präsentier­t den Bericht 2016.

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