Schwäbische Zeitung (Wangen)

Kangals: In Hessen gefährlich, in Baden-Württember­g nicht

Einstufung der Hunderasse in Bundesländ­ern unterschie­dlich – Diskussion nach tödlichen Bissen in Frohnstett­en

- Von Jakob Fandrey

STETTEN A. K. M. - Nach der tödlichen Attacke eines Kangals auf eine 72-jährige Passantin in Frohnstett­en, einem Teilort von Stetten a. k. M. (Landkreis Sigmaringe­n), geht die Diskussion um gefährlich­e Hunderasse­n weiter. Der Stettener Bürgermeis­ter Maik Lehn wundert sich, dass der Kangal lediglich in Hessen und Hamburg als gefährlich eingestuft werde. „In anderen Bundesländ­ern ist das aber nicht der Fall. Ich sage: Föderalism­us ja, aber warum backt da jeder sein eigenes Brötchen?“

Tatsächlic­h kann jedes Bundesland eigene Regelungen erlassen. Die Unterschie­de würden sich aus den unterschie­dlichen Fachexpert­isen in den jeweiligen Bundesländ­ern ergeben, heißt es dazu aus dem Stuttgarte­r Innenminis­terium.

Ministerie­n beraten Konsequenz­en

Bisher werden Kangals in BadenWürtt­emberg nicht als grundsätzl­ich gefährlich­e Hunde eingestuft. Dies könnte sich aber ändern: Wie ein Sprecher des Ministeriu­ms für ländlichen Raum auf Nachfrage der „Schwäbisch­en Zeitung“sagte, werde man die Ermittlung­en zu dem Vorfall in Frohnstett­en abwarten, ehe man gemeinsam mit dem Innenminis­terium über mögliche Konsequenz­en entscheide.

Die Zahl der Vorfälle mit dem „Tatmittel Hund“, wie es das Innenminis­terium in ihrer Statistik formuliert, lassen dagegen wenig Schlüsse zu. 2015 gab es landesweit 1179 Fälle fahrlässig­er Körperverl­etzung, 2016 waren es 1235. Kampfhunde machten hierbei allerdings nur einen Bruchteil aus. In die Analyse würden auch Fälle eingerechn­et, in denen Menschen zum Beispiel durch einen Hund erschrecke­n und dabei zu Schaden kommen.

Ungewiss bleibt, warum der Kangal in Frohnstett­en die 72-Jährige angegriffe­n hat. Die Hunderasse an sich sei nicht das Problem, betont Hildegard Jung, zweite Vorsitzend­e der Gesellscha­ft für Tierverhal­tensmedizi­n und –therapie. Kangals seien jedoch keine Familienhu­nde und hätten in Städten nichts zu suchen. Reine Kettenhalt­ung entspreche nicht den Vorgaben der Tierschutz­hundeveror­dnung und führe häufig zu Verhaltens­störungen.

Aus der Vergangenh­eit seien keine Probleme mit der Halterin bekannt, sagt Bürgermeis­ter Lehn. Allerdings seien nur zwei der drei Hunde gemeldet gewesen. Laut Medienberi­chten besaß die 43-Jährige den dritten Hund, der für den Angriff verantwort­lich war, erst seit wenigen Wochen. Er wurde von den Beamten gezielt getötet.

Keine Beanstandu­ngen

Beim Zugriff erschossen die Beamten auch die beiden anderen Hunde, um in das Haus der Besitzerin zu gelangen. Zum Tatzeitpun­kt war sie nicht anzutreffe­n, mittlerwei­le läuft ein Ermittlung­sverfahren wegen fahrlässig­er Tötung.

Beschwerde­n über Geruchsbel­ästigungen haben im Dezember 2012 und Juni 2013 zu Besuchen des Veterinära­mts geführt, wie das Sigmaringe­r Landratsam­t mitteilte. Damals habe man keine Hunde, sondern nur 20 Katzen angetroffe­n, deren Haltung nicht zu beanstande­n gewesen sei. Zu diesem Zeitpunkt war der für den Tod der 72-Jährigen verantwort­liche Hund jedoch noch gar nicht geboren. In jüngerer Zeit seien keine Anzeigen gegen die Frau bei der Behörde mehr eingegange­n, so das Landratsam­t weiter.

Die Frau selbst äußerte sich in der „Bild“-Zeitung zu dem Vorfall: „Es ist schrecklic­h, was passiert ist. Das tut mir wirklich leid.“Sie verstehe, dass die Polizei den Hund erschossen habe.

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FOTO: IMAGO Der Kangal ist auch als anatolisch­er Hirtenhund bekannt.

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