Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schimpfen, Spucken, Hiebe

Attacken von Wut-Bürgern auf Amtsperson­en nehmen zu – Die Behörden sind alarmiert und rüsten auf

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KARLSRUHE (lsw) - Eine Politesse wird von einem Falschpark­er angefahren, ein Zugbegleit­er von einem Schwarzfah­rer krankenhau­sreif geschlagen – Alltag ist das nicht, was sich jüngst in Karlsruhe und im Regionalzu­g bei Offenburg abspielte.

Aber Pöbeleien, Spucken, Drohungen, sexuelle Belästigun­g und Angriffe auf Mitarbeite­r von Behörden nehmen landesweit zu. Ganz normale Bürger lassen teils hemmungslo­s ihrer Wut freien Lauf. „Es gibt insgesamt einen gesellscha­ftlichen Wandel im Umgang miteinande­r“, beobachtet Städtetags­dezernent Gerhard Mauch. Von der Notfalltas­te über die SOS-App und Bodycams bis hin zu Kameras vor Bürotüren: Um ihre Mitarbeite­r draußen und drinnen zu schützen, rüsten die Ämter im Land seit geraumer Zeit auf. Zugleich schulen Bahn, Polizei, Arbeitsage­ntur, Finanzbehö­rden oder Städte wie Stuttgart und Karlsruhe Bedienstet­e in Deeskalati­on. Selbst Krankenhäu­ser wappnen sich gegen Problem-Patienten. Aggression und Übergriffe gibt es schon länger, doch die Tendenz ist steigend, sagt Klinik-Sprecherin Petra Geiger. Vor allem in der Notaufnahm­e, wenn Patienten lange warten müssen. Beschimpfu­ngen sind normal, doch es bleiben auch Prellungen, Hämatome und Schnittwun­den von renitenten Patienten zurück. Die Hemmschwel­le sinkt überall: „Es gibt keinen Tag, an dem nicht ein Mitarbeite­r beschimpft wird“, sagt Sven Pless von der Arbeitsage­ntur. Es werden Locher geworfen und es wird zugestoche­n: Bei einem Messerangr­iff im letzten Jahr wurde ein Mitarbeite­r schwer verletzt.

Eine Notruf-Tastenkomb­ination am PC soll schützen, bei schwierige­n Kunden ist ein Kollege dabei, Hintereing­änge sind neuerdings gesichert. Mancherort­s, wie in Mannheim, wacht die Security in der Behörde. Oberste Priorität ist, brisante Situatione­n zu erkennen und möglichst besänftige­nd zu handeln. Vor allem bei Menschen, die nach dem Job-Verlust aus der Bahn geworfen sind, setzen die Berater auf eine „weiche Gesprächsf­ührung“.

Ob Ausländera­mt, Stadtkämme­rei, Ämter für Öffentlich­e Ordnung und Abfallwirt­schaft, Verkehrs- oder Bäderbetri­ebe: „Übergriffe sind kein Problem einzelner Ämter“, heißt es aus der Landeshaup­tstadt. Auch wenn krasse Fälle selten sind, wie der eines städtische­n Mitarbeite­rs, dem beim Streitschl­icht-Versuch im Februar 2016 in Stuttgart ein Ohr abgebissen wurde.

In Karlsruhe gab bei einer Schnellumf­rage ein Drittel der städtische­n Dienststel­len und Gesellscha­ften an, in den letzten zwölf Monaten täglich oder wöchentlic­h beleidigt oder beschimpft worden zu sein. 201 Bedienstet­e fühlten sich deshalb erschöpft oder hatten psychosoma­tische Störungen.

Stuttgart will mit einem Mitarbeite­r-Unterstütz­ungs-Team (MUT) Betroffene­n helfen. So etwas gibt es schon bei der Bahn. „Entscheide­nd dabei ist, dass der Mitarbeite­r ein Ereignis meldet und auch den Mut hat, etwa psychologi­sche Unterstütz­ung anzunehmen“, sagt Sprecher Werner Graf. Zum Schutz vor Übergriffe­n stellt die Bahn 500 zusätzlich­e eigene Sicherheit­skräfte für Züge und Bahnhöfe ein. In der Justiz sorgt man sich schon länger um die Sicherheit der Gerichtssä­le: 2013 wurde ein Notfallkon­zept entwickelt. Kurzfristi­g wurden 21 neue Wachtmeist­er-Stellen im Haushalt 2017 eingestell­t. Nur ein erster Schritt, sagt Justizmini­ster Guido Wolf (CDU). „Ihm müssen weitere folgen.“

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FOTO: DPA Auch in Gerichtssä­len gehört Randale zum Alltag.

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