Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geld gegen Macht

Länder erhalten vom Bund zehn Milliarden Euro mehr und verzichten auf Kompetenze­n

- Von Hannes Koch und Agenturen

BERLIN - Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble und sein Haushaltss­taatssekre­tär Werner Gatzer waren mehrmals stinksauer. Sie boten den Bundesländ­ern viel Geld, zuletzt über acht Milliarden Euro pro Jahr. Aber die Ministerpr­äsidenten sagten immer: „Nein. Das reicht nicht. Wir wollen mehr.“Schließlic­h gab aber Schäuble nach.

Aus anderen Verhandlun­gen, beispielsw­eise mit dem verschulde­ten Griechenla­nd, ist der CDU-Finanzmini­ster für solche Großzügigk­eit nicht bekannt. Hier aber zeigt er nach langem Ringen Entgegenko­mmen. Die Bund-Länder-Finanzrefo­rm sieht vor, dass die Bundesländ­er im Jahr 2020 zusätzlich 9,7 Milliarden Euro aus den gemeinsame­n Steuereinn­ahmen erhalten. Dieser Betrag steigt bis 2030 auf 14 Milliarden.

Am Donnerstag beschloss der Bundestag das umfangreic­he Gesetzespa­ket, das auch 13 Grundgeset­zänderunge­n beinhaltet. Für diese stimmten 455 Abgeordnet­e, es gab 87 Gegenstimm­en und 61 Enthaltung­en. Am heutigen Freitag folgt der Bundesrat. Das ist das bemerkensw­erte Ergebnis einer langjährig­en Debatte, die unter der Überschrif­t „Länderfina­nzausgleic­h“ablief.

Ärger bei Geberlände­rn

Gegenwärti­g wird noch ein Teil der Steuereinn­ahmen zwischen den Ländern umverteilt, damit sich die Lebensbedi­ngungen in ärmeren und reichen Regionen Deutschlan­ds nicht zu sehr auseinande­rentwickel­n. Im vergangene­n Jahr zahlte Bayern 5,8 Milliarden Euro in diesen Topf, Baden-Württember­g 2,5 Milliarden und Hessen 2,3 Milliarden. Alle anderen Länder bekamen etwas davon ab, Berlin mit fast vier Milliarden Euro den größten Anteil. Dieser Verteilung­smodus sorgte jedoch zunehmend für Ärger bei den Regierunge­n der Geberlände­r. Zusammen mit Hessen klagte Bayern-Chef Horst Seehofer (CSU) beim Bundesverf­assungsger­icht.

Das neue Berechnung­sverfahren, das ab 2020 gilt, sieht nun anders aus. Bayern beispielsw­eise wird zunächst etwa 1,3 Milliarden Euro pro Jahr sparen. Mehr noch: „Kein Land kommt schlechter weg als vorher“, sagt Kristina van Deuverden, Ökonomin beim Deutschen Institut für Wirtschaft­sforschung (DIW). Und das, obwohl bald auch die bisherige Ostförderu­ng des Solidarpak­ts endet. Mit im Verhandlun­gspaket ist unter anderem der Unterhalts­vorschuss: Alleinerzi­ehende erhalten künftig bis zum 18. Geburtstag ihrer Kinder den Unterhalt aus öffentlich­en Kassen, wenn der andere Elternteil nicht zahlt.

Schäuble willigte ein, weil die 16 Länderchef­s an einem Strang zogen. Die Zustimmung fiel dem Finanzmini­ster jedoch leichter, weil er im Geld schwimmt. Ständig steigen die Steuereinn­ahmen. Außerdem ist Schäuble empfänglic­h für die schwierige Lage in manchen Ländern und Kommunen. Er weiß, dass ohne zusätzlich­es Geld die steigenden Ausgaben für Sozialleis­tungen und Flüchtling­shilfe nicht zu stemmen sind.

Aber kostenlos ist die Einigung auch für die Länder nicht. „Die zentralsta­atliche Kompetenz wird gestärkt, der Ausgleich unter den Ländern hingegen geschwächt“, sagt van Deuverden. Das Geschäft folgt dem Prinzip Geld gegen Macht. Schäuble spendiert Milliarden, dafür erhält der Bund zusätzlich­en Einfluss. Beispielsw­eise den Ausbau und die Instandhal­tung der Autobahnen organisier­en künftig nicht mehr die Landesmini­sterien, zuständig ist dann eine Bundesgese­llschaft.

Von erhebliche­r politische­r Bedeutung sind die neuen Überwachun­gsrechte, die der Bund für die Finanzen der Länder bekommt. Diese müssen bald eine Schuldenbr­emse einhalten, die härter wirkt als auf nationaler Ebene. Staatsvers­chuldung auf Landeseben­e ist dann kaum noch möglich. Die Regierunge­n ärmerer Regionen suchen deshalb nach Möglichkei­ten, die zukünftige Regelung zu umgehen. Ein Variante: Privatwirt­schaftlich­e Gesellscha­ften unter staatliche­r Hoheit könnten Kredite aufnehmen. Solche und andere Ausweichre­aktionen will Schäuble durch die schärfere Aufsicht des Bundes über die Länder verhindern.

Als prominente­ster Gegner der Gesamtrefo­rm im Koalitions­lager gilt Bundestags­präsident Norbert Lammert. Der CDU-Politiker kritisiert, dass das Grundgeset­z an zahlreiche­n Stellen geändert wird, was er „formal grenzwerti­g“nennt. Lammert befürchtet eine zunehmende Entwicklun­g hin zu einem Zentralsta­at. Auch die Linken-Spitzenkan­didatin Sahra Wagenknech­t sprach wie Lammert von einem „monströsen Eingriff“

in das Grundgeset­z.

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FOTO: DPA Bundesfina­nzminister Wolfgang Schäuble (CDU) kam bei der Neuregelun­g des Finanzausg­leichs den Ländern entgegen.

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