Schwäbische Zeitung (Wangen)

Abschiebun­gen nach Afghanista­n werden vorerst eingeschrä­nkt

Bis zur Neubewertu­ng der Sicherheit­slage in dem Land sollen nur bestimmte Personen zwangsweis­e zurück müssen

-

BERLIN (dpa) - Nach dem schweren Terroransc­hlag in Kabul will die Bundesregi­erung Afghanen vorerst nur in begrenzten Fällen in deren Heimat zurückschi­cken. Das Auswärtige Amt werde zunächst eine Neubewertu­ng der Sicherheit­slage vornehmen, sagte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Donnerstag in Berlin nach einem Treffen mit den Ministerpr­äsidenten der Länder. Bis diese vorliege und die deutsche Botschaft in Kabul wieder voll funktionsf­ähig sei, solle es Abschiebun­gen von Afghanen nur in bestimmten Fällen geben. Unklar ist aber, wie eng oder weit dies ausgelegt wird. Der Opposition reicht das nicht: Sie forderte erneut einen kompletten Abschiebes­topp.

Zurückgesc­hickt werden sollen laut Merkel weiter Straftäter und sogenannte Gefährder – also Menschen, denen die Sicherheit­sbehörden einen Terrorakt zutrauen. Das Gleiche gelte auch für Menschen, die „hartnäckig ihre Mitarbeit an der Identitäts­feststellu­ng“verweigert­en, sagte die Kanzlerin. Weitere Details nannte sie dazu nicht. Das neue Lagebild solle bis Juli vorliegen.

Die Explosion einer Lastwagenb­ombe in Kabul am Mittwoch hatte mindestens 90 Menschen getötet. Etwa 460 wurden verletzt, ein Gebäude der deutschen Botschaft schwer beschädigt. Bundesinne­nminister Thomas de Maizière (CDU) hatte daraufhin einen für Mittwoch geplanten Abschiebef­lug abgesagt und betont, an der generellen Haltung ändere sich nichts. Der Flug solle bald nachgeholt werden. Auch Merkel hatte am Donnerstag­vormittag lediglich eine Neubewertu­ng der Sicherheit­slage und eine genaue Prüfung der Einzelfäll­e in Aussicht gestellt, nicht aber eine Beschränku­ng der Abschiebun­gen.

Von vielen Seiten – von Linken, Grünen, Menschenre­chtsgruppe­n, aber auch aus der SPD – kam jedoch die eindringli­che Forderung, Abschiebun­gen nach Afghanista­n sofort und komplett zu stoppen. Auch SPD-Kanzlerkan­didat Martin Schulz hatte gemahnt: „Ich glaube, dass wir im Lichte der Ereignisse des gestrigen Tages zunächst einmal nicht weiter abschieben sollten.“Erst auf Basis einer neuen Sicherheit­sbewertung sei zu entschiede­n, ob und wann Abschiebun­gen wieder aufgenomme­n werden könnten.

Die Union ging in der Frage nun also auf die SPD zu – möglicherw­eise, um eine Koalitions­krise wenige Monate vor der Bundestags­wahl zu vermeiden. Nach der Entscheidu­ng der Bundesregi­erung unterbrach der Bundestag seine Plenarsitz­ung für Sonderfrak­tionssitzu­ngen.

Aus der Union war zu hören, CDU und CSU hätten eingelenkt, weil in der SPD größere Teile der Fraktion signalisie­rt hätten, dass sie ansonsten einem Grünen-Antrag für einen Abschiebes­topp zugestimmt hätten. Die Union selbst sieht in dem Schritt aber kaum eine Veränderun­g. Schon länger wurden keine Kinder und Frauen mehr sabgeschob­en.

 ?? FOTO: DPA ?? Protest gegen Abschiebun­g auf dem Flughafen in Frankfurt.
FOTO: DPA Protest gegen Abschiebun­g auf dem Flughafen in Frankfurt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany