Schwäbische Zeitung (Wangen)

„Ich kenne die Größe der Aufgabe“

Der neue SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil über die Wahlstrate­gie und die Chancen seiner Partei

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BERLIN - Hubertus Heil wurde am Mittwoch zum neuen SPD-Generalsek­retär. Im Interview mit Rasmus Buchsteine­r sagt der 44-Jährige, wie er seinem Kanzlerkan­didaten Martin Schulz mit dem Thema Gerechtigk­eit zum Wahlsieg verhelfen will.

Der Hype um SPD-Kanzlerkan­didat Schulz ist vorüber, der Abstand zur Union in den Umfragen zweistelli­g: Jetzt sollen Sie helfen, das Blatt zu wenden. Wie schwer ist die Last auf Ihren Schultern?

Viel Vorbereitu­ngszeit hatte ich jedenfalls nicht, da es aufgrund der tragischen Erkrankung Erwin Sellerings, den ich persönlich gut kenne und schätze, zu den personelle­n Veränderun­gen kam. Ich kenne die Größe der Aufgabe. Aber ich weiß auch, was ich kann.

Zwischenze­itlich lag die SPD in den Umfragen vor der CDU – was ist zuletzt schiefgela­ufen?

Vor uns liegen 115 Tage Wahlkampf. Wir können uns jetzt keine monatelang­en Fehleranal­ysen erlauben. Die Niederlage in Nordrhein-Westfalen war für uns ein schwerer Schlag, aber die SPD hat sich nicht unterkrieg­en lassen. Und: Unsere Werte sind jetzt noch sehr viel besser als zu Beginn des Jahres. Die Entscheidu­ng fällt auf den letzten Metern, in der heißen Phase des Wahlkampfs.

Angela Merkel spielt ihren Amtsbonus aus, punktet mit internatio­nalen Auftritten. Wie kann Martin Schulz der Kanzlerin da noch den Schneid abkaufen?

Entscheide­nd wird sein, wem die Menschen zutrauen, Deutschlan­d nach der Bundestags­wahl mit den richtigen Konzepten zu führen. Martin Schulz oder Angela Merkel? In der Innen-, Außen- und Europapoli­tik gibt es klare Differenze­n. Es geht um soziale Gerechtigk­eit, um wirtschaft­lichen Erfolg, um Deutschlan­ds Verantwort­ung für den Frieden in der Welt und die Überwindun­g der Krise Europas. Da hat Martin Schulz klar die besseren Rezepte und die größere Leidenscha­ft.

Mal hat der Kanzlerkan­didat mit Rot-Rot-Grün geflirtet, mal mit der Ampel – was gilt denn nun?

Wir werden am 25. Juni in Dortmund unser Regierungs­programm für Innovation und Gerechtigk­eit beschließe­n. Wer mit uns nach der Wahl koalieren will, muss auf uns zukommen. Wir kämpfen für eine starke SPD und führen keinen Koalitions­wahlkampf.

Noch einmal Juniorpart­ner in einer Großen Koalition ist für die SPD ausgeschlo­ssen?

Wir arbeiten dafür, dass Martin Schulz Bundeskanz­ler wird. „Was wäre wenn“interessie­rt mich nicht.

Wird es für die SPD reichen, allein die soziale Gerechtigk­eit ins Schaufenst­er zu stellen?

Gerechtigk­eit bleibt ein zentrales Thema. Dabei geht es unter anderem auch um Verteilung­sgerechtig­keit. So müssen wir für eine gerechtere Finanzieru­ng der Krankenbei­träge sorgen, bei der Arbeitnehm­er und Arbeitgebe­r wieder dasselbe zahlen. Die SPD wird aber auch die Frage nach Leistungsg­erechtigke­it stellen. Bildungsch­ancen dürfen weder von sozialer Herkunft noch vom Wohnort abhängen. Was zählen muss, sind Talent und Leistung.

Wird Martin Schulz ein Kompetenzt­eam präsentier­en?

Es wird kein Kompetenzt­eam im klassische­n Sinne geben. Martin Schulz ist unsere Nummer 1. Daneben haben wir viele Frauen und Männer, die glaubwürdi­g und kompetent für Themen stehen und die alle Martin Schulz unterstütz­en werden. Aber das muss man nicht unbedingt gleich mit Porträtfot­os abbilden.

Seit Otto Schily gab es bei der SPD in der ersten Reihe keinen Politiker, der für eine harte Linie bei der Inneren Sicherheit steht. Nun hat Kanzlerkan­didat Schulz ein ZehnPunkte-Programm beschlosse­n. Ist das nicht etwas spät?

Sicher zu leben und sich sicher zu fühlen, ist ein soziales Bürgerrech­t. Dafür haben wir immer gekämpft. Der beste Schutz vor Kriminalit­ät, Gewalt und Extremismu­s ist neben einem handlungsf­ähigen Staat und einer gut ausgestatt­eten Polizei und Justiz eine solidarisc­he Bürgergese­llschaft …

Mehr Polizei, mehr Videoüberw­achung, eine stärkere europäisch­e Kooperatio­n – das findet sich auch in den Forderungs­katalogen der Union. Wie grenzt sich die SPD beim Thema Innere Sicherheit ab?

Schärfere Gesetze sind kein Selbstzwec­k. Die CDU/CSU stellen seit 2005 den Bundesinne­nminister. Sie hat die Bundespoli­zei durch übermäßige­s Sparen und Personalab­bau geschwächt. Wir haben dafür gesorgt, dass die Stellen wieder aufgestock­t werden – in einem ersten Schritt um 3500. Wir müssen dafür sorgen, dass die geltenden Gesetze eingehalte­n werden. Nur reiche Leute können sich einen schwachen Staat leisten. Die überwiegen­de Mehrheit kann es nicht. Bei der Union wird mir angst und bange: Würden ihre gigantisch­en Steuersenk­ungsverspr­echen Wirklichke­it, wäre unser Staat nicht mehr handlungsf­ähig. Auch bei der Inneren Sicherheit. Wir setzen auf mehr Polizei und staatliche Förderung für einen besseren Einbruchsc­hutz.

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FOTO: DPA Der neue SPD-Generalsek­retär Hubertus Heil (li.) ist überzeugt, dass sein Kanzlerkan­didat Martin Schulz mit „besseren Rezepten und größerer Leidenscha­ft“als Kanzlerin Merkel bei den Wählern punkten wird.

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