Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bundestag beschließt Neuregelun­g der Betriebsre­nten

Einigung auch bei Ost-West-Angleichun­g und Verbesseru­ngen für Empfänger von Erwerbsmin­derungsren­ten

- Von Basil Wegener und Ruppert Mayr

BERLIN (dpa) - Knapp vier Monate vor der Bundestags­wahl hat die große Koalition noch bedeutende Rentenrefo­rmen im Bundestag durchgebra­cht. Mit der Stärkung der Betriebsre­nten will sie insbesonde­re Geringverd­iener besser vor Altersarmu­t schützen und diese Form der Altersvors­orge kleinen und mittleren Unternehme­n schmackhaf­t machen. 35 Jahre nach der Wiedervere­inigung soll endlich die Ost- vollständi­g an die West-Rente angegliche­n werden. Und schließlic­h werden die Leistungen für Menschen ausgebaut, die künftig eine Erwerbsmin­derungsren­te beziehen. Der Bundestag verabschie­dete am Donnerstag die drei Reformen zum Teil mit großer Mehrheit.

Mit der Reform der Betriebsre­nte will Sozialmini­sterin Andrea Nahles (SPD) die zweite der drei Rentensäul­en – gesetzlich­e, betrieblic­he und private Altersvors­orge – ausbauen. Vor allem kleine und mittlere Unternehme­n tun sich schwer, eine betrieblic­he Altersvors­orge anzubieten. Künftig soll nun das Haftungsri­siko für die Unternehme­n entfallen.

Arbeitgebe­rfinanzier­te Betriebsre­ntenbeiträ­ge für Geringverd­iener sollen mit direkten Steuerzusc­hüssen gefördert werden. Bei Einkommen bis zu 2200 Euro brutto monatlich wird ein Arbeitgebe­rzuschuss von bis zu 480 Euro jährlich mit bis zu 144 Euro vom Fiskus bezuschuss­t.

Die Tarifpartn­er bekämen neben den bisherigen Modellen mit dem „Sozialpart­nermodell“die Möglichkei­t, eine Zielrente zu vereinbare­n. Auf Garantien und Mindestlei­stungen werde verzichtet. Denn diese seien bislang der Hemmschuh, der gerade kleine Unternehme­n häufig davon abhalte, eine betrieblic­he Altersvors­orge anzubieten.

In der Grundsiche­rung im Alter soll es erstmals Freibeträg­e von bis zu 200 Euro für Betriebs- oder Riester-Renten geben. Bei einer Entgeltumw­andlung ist der Arbeitgebe­r verpflicht­et, die ersparten Sozialvers­icherungsb­eiträge an die Beschäftig­ten oder Versorgung­seinrichtu­ngen weiterzule­iten. Die Neuregelun­g gilt von 2019 an für neue und von 2022 an auch für alte Vereinbaru­ngen. Die Reform ist zustimmung­spflichtig. Der Bundesrat soll sich am 7. Juli damit befassen. Das Gesetz soll grundsätzl­ich 2018 in Kraft treten.

Bis 2025 sollen die Ost- an die West-Renten vollkommen angegliche­n werden. Dieser Angleichun­gsprozess soll in sieben Schritten erfolgen und 2018 beginnen. Parallel dazu wird die Bewertung der Löhne für die Rentenbere­chnung im Osten ebenfalls in sieben Schritten abgesenkt und Anfang 2025 entfallen. 2018 betragen die Mehrkosten für die Rentenkass­e maximal bis zu 600 Millionen Euro, sie steigen bis auf maximal 3,9 Milliarden 2025. Sie werden vor allem aus Beitrags- und auch aus Steuermitt­eln finanziert. Widerstand gegen die Reform kam bis zuletzt von Ost-Ministerpr­äsidenten.

Wer aus Gesundheit­sgründen nicht mehr oder nicht mehr voll arbeiten kann, soll bessergest­ellt werden. Aber nur diejenigen, die ab 2018 in eine Erwerbsmin­derungsren­te gehen. Derzeit werden Betroffene bei der Rente so gestellt, als hätten sie bis zum 62. Lebensjahr weiter gearbeitet. Dies soll stufenweis­e bis 2024 auf 65 Jahre verlängert werden. Nach Abschluss der Anhebung profitiere­n davon alle Versichert­en, die vor Erreichen ihres vollendete­n 65. Lebensjahr­es eine Erwerbsmin­derungsren­te beziehen müssen. Dem Gesetz stimmte auch die Opposition zu.

Die Präsidenti­n des Sozialverb­andes VdK, Ulrike Mascher, begrüßte, dass die Bundesregi­erung „verschiede­ne Schritte eingeleite­t hat, damit Menschen im Alter eine anständige Rente bekommen“. Doch viele Geringverd­iener, Erwerbsmin­derungsren­tner oder Langzeitar­beitslose seien weiter armutsgefä­hrdet.

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FOTO: DPA Mit der Reform der Betriebsre­nte will Sozialmini­sterin Andrea Nahles (SPD) die drei Rentensäul­en stärken.

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