Sensibler Ausnahmekünstler
Zum Tod des Dirigenten Sir Jeffrey Tate
HAMBURG (dpa) - Schon in jungen Jahren hatte es Jeffrey Tate nicht leicht. „Ich wusste immer nur eines, ein normales Kind war ich nicht“, sagte der Chefdirigent der Symphoniker Hamburg rückblickend in einem Interview. Eine angeborene Wirbelsäulenverformung machte ihm das Leben schwer und führte zu einer schiefen Haltung mit erheblichen Gehbeschwerden. Trotzdem schaffte es Tate Medizin zu studieren und zwei Jahre als Augenarzt in einem Londoner Krankenhaus zu arbeiten. Doch die Liebe zur Musik war stärker: Nach dem Start seiner künstlerischen Laufbahn am Royal Opera House Covent Garden in London machte Tate, der am Freitag im italienischen Bergamo im Alter von 74 Jahren an einem Herzinfarkt starb, als Dirigent eine großartige Karriere.
Geprägt haben ihn Herbert von Karajan in Salzburg und James Levine in New York, bei denen er als Assistent arbeitete. Doch zur entscheidenden Erfahrung wurde für ihn 1976 der sogenannte Jahrhundert-Ring der Bayreuther Festspiele, bei denen er als Assistent von Pierre Boulez mitwirkte. So wurde er zu einem der bedeutendsten Interpreten der Musik Richard Wagners. Er hat den ersten vollständigen Pariser „Ring“der Nachkriegszeit, den ersten australischen „Ring“überhaupt und viele weitere Aufführungen der Tetralogie dirigiert.
Mit den Hamburger Symphonikern verband Tate eine besondere Beziehung. Kritiker bewunderten, wie er das Orchester mit wenig gestischem Aufwand effizient führte und bezeichneten Tate als „einen Präzisionsliebhaber, fähig zum Filigranen, und, wenn nötig, auch zum großen Effekt“. Erst am 19. April war Tate in London für seine internationalen Verdienste von Prinz William zum Ritter geschlagen worden.