Hobbyermittler bringt Polizei auf Spuren des Täters
Reifendieb wird auf frischer Tat ertappt – Spezialkräfte nehmen Mann auf Parkplatz in Immenstadt fest
BAD WALDSEE - Bei einem Scheinkauf konnte die Polizei einen 24-jährigen Mann aus Bayern festnehmen, der Ende Mai vier Autoräder in Bad Waldsee gestohlen hat. Großen Anteil am Polizeierfolg hat in diesem Fall der betroffene Autobesitzer selbst.
Rückblick: In der Nacht auf den 23. Mai montierte ein Unbekannter auf dem Friedhof-Parkplatz in der Kurstadt vier Reifen samt hochwertigen schwarzen Alufelgen von einem Daimler Benz ab und verursachte dabei Schaden von rund 3000 Euro. Kurz danach tauchten die gestohlenen Räder auf einer Verkaufsplattform im Internet auf, wie der Betroffene selbst herausfand. Er durchforstete das Netz nach seinen Reifen und suchte gezielt nach Angeboten zu den gestohlenen Rädern – und wurde fündig. Der Hobbyermittler teilte der Polizei sein Suchergebnis mit.
Ein „Ausnahmefall“
Hermann Erhardt, stellvertretender Bad Waldseer Polizeipostenleiter, prüfte die Angaben des Geschädigten: „Die Indizien waren schlüssig. Wir konnten also davon ausgehen, dass es sich tatsächlich um die gestohlenen Reifen und Felgen handelte.“Hierauf nahm Erhardt Kontakt zur Staatsanwaltschaft sowie mit dem Polizeipräsidium Schwaben Süd/West auf. Da der Tatverdächtige bei der bayerischen Polizei bekannt war, wurde geplant, einen Scheinkauf durchzuführen und den Mann auf frischer Tat festzunehmen. Wie Erhardt erklärt, nahmen – in Abstimmung mit der Staatsanwaltschaft – Spezialkräfte der Polizei Kontakt mit dem 24-Jährigen auf. Für den 31. Mai wurde ein Treffen auf einem Parkplatz bei Immenstadt im Allgäu vereinbart. „Da man nicht wusste, ob die Person alleine kommt oder nicht, braucht es entsprechend viel Personal, um die Maßnahme durchführen und den Schutz der Kollegen gewährleisten zu können“, berichtet Erhardt. Nachdem der Tatverdächtige allein am Treffpunkt vorgefahren war, konnte er widerstandslos festgenommen werden. „Es verlief alles reibungslos“, bilanziert Erhardt, der die Aktion in der Dienststelle in Immenstadt mitverfolgte. Die zügig eingeleitete Maßnahme sei auch zu einem gewissen Teil dem Quäntchen Glück zuzuordnen. Schließlich seien auch die Spezialkräfte für die Durchführung dieser Maßnahme sofort verfügbar gewesen.
Die detaillierte Vorarbeit des Geschädigten lobt der stellvertretende Polizeipostenleiter als „Ausnahmefall“. Häufiger würden Geschädigte mit Chatverläufen bei der Polizei erscheinen und auf im Internet wiedergefundene Diebesgüter hinweisen. Doch sei in diesem Fall die Qualität der Angaben sehr hoch gewesen.
Eine dreiste Straftat
Als dreistes Vorgehen bezeichnet Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl die Tat. Dabei stelle die kriminelle Zuhilfenahme des Internets keine Seltenheit dar. Diebe behelfen sich des World Wide Webs, um ihr Diebesgut zu verkaufen, und so würden Verkaufsplattformen als Hehlereiplattformen genutzt. Die Anonymität im Netz erschwert die Arbeit der Ermittler zudem. „Das ist es, wogegen wir zu kämpfen haben. Die Anbieter zu ermitteln ist hierbei nicht so einfach“, berichtet Diehl. Die bloße Masse an Informationen und Angeboten stelle die Beamten vor Herausforderungen. Umso größer ist der Erfolg in diesem Fall zu bewerten. „Der Erfolg ist der Aufmerksamkeit des Geschädigten zu verdanken“, hebt Diehl das Engagement des betroffenen Autobesitzers hervor.
Obwohl der Täter kurz zuvor bereits zu einer mehr als zweijährigen Haftstrafe verurteilt wurde, befand er sich noch auf freiem Fuß. Wie ist das zu erklären? Wenn bei Verurteilten keine Fluchtgefahr besteht, bleiben sie nach dem Urteil vorerst frei, berichtet der Oberstaatsanwalt. Erst nachdem die schriftliche Ladung zum Strafantritt erfolgt, müssen die Täter ins Gefängnis. Zwischen Urteil und Haftantritt können mehrere Monate liegen, klärt Diehl auf.
Dem 24-Jährigen drohen für den Diebstahl bis zu fünf Jahre Haft. Bei der Urteilsfindung werden laut Oberstaatsanwalt Karl-Josef Diehl Diehl mehrere Faktoren berücksichtigt: So spielt es eine Rolle, ob die Tat eingeräumt wurde, wie hoch der Diebeswert liegt und ob der Täter strafrechtlich vorbelastet ist.
Nächster Polizeierfolg
Die Festnahme stellt den zweiten überregionalen Polizeierfolg innerhalb weniger Wochen dar. Erst Mitte Mai nahmen die Beamten des Polizeipostens Bad Waldsee einen mutmaßlichen Reichsbürger in einer Wohnung in der Kurstadt fest. Der 57-jährige Mann soll im Januar 2016 bei einem Diebstahl von Gerichtsakten während einer Gerichtsverhandlung am Amtsgericht Kaufbeuren geholfen haben. Auf den Täter wurden die örtlichen Polizisten im Zuge einer Fahrerermittlung bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung aufmerksam.
„Der Erfolg ist der Aufmerksamkeit des Geschädigten zu verdanken.“