Schwäbische Zeitung (Wangen)

Jungforsch­er blättern im „Tagebuch des Sees“

„Bonbon“für Preisträge­r: Forschungs­schiffe gehen mit Schülern gemeinsam auf Bodensee-Exkursion

- Von Alexander Mayer

FRIEDRICHS­HAFEN - Über den wissenscha­ftlichen Tellerrand hinaus geschaut haben am Donnerstag 15 preisgekrö­nte wie forschungs­erprobte Schüler. Sie taten es innerhalb einer gemeinsame­n Exkursion auf der „Kormoran“, der schwimmend­en Forschungs­plattform des Instituts für Seenforsch­ung in Langenarge­n( IfS), und an Bord der „Aldebaran“, dem derzeit auf dem See kreuzenden Medien- und Forschungs­schiff aus Hamburg. Beide Schiffe fuhren mit jungen Mathematik­ern, Physikern und Informatik­ern raus auf den See. Dabei wurden vom Seegrund Sedimentpr­oben genauso gezogen wie die Jungforsch­er Spuren von Mikroplast­ik aus dem Wasser fischten.

Mit von der Partie sind die Tettnanger Gymnasiast­en Nicolas und Dominic Zedler sowie David Seyboldt, ein Schüler des Friedrichs­hafener Graf-Zeppelin-Gymnasiums. Das Trio kennt sich vom Häfler Schülerfor­schungszen­trum. Normalerwe­ise beschäftig­en sich die drei Jungs mit mathemathi­schen Methoden mit Bewegungs- und Ziffernerk­ennung, erzählt der betreuende Mathe- und Informatik­lehrer Wolfgang Seyboldt. Jetzt wandeln die drei Jungforsch­er auf fremdem wissenscha­ftlichen Terrain: An Bord der „Kormoran“geht’s zur Probenentn­ahme zur Seemitte hinaus. In 180 Meter Tiefe, dort wo das Projekt „Tiefenschä­rfe – hochauflös­ende Vermessung Bodensee“ein mäandriere­ndes Gebilde auf die Bildschirm­e der Wissenscha­ftler transporti­ert hat.

Martin Wessels, Geologe im IfS, spricht beim einführend­en Tiefenschä­rfe-Vortrag von einem sehr „reichhalti­gen strukturie­rten Seegrund“. Als die Wissenscha­ftler die ersten Bilder gesehen haben, war die Begeisteru­ng groß: „Da zeigten sich ungewohnt klare Strukturen.“Im Vergleich zur Tiefenunte­rsuchung von 1990 sei das so gewesen, erzählt Wessels, als sei man „kurzsichti­g – und setzt sich dann eine Brille auf“. Die Schüler sehen in Wessels Präsentati­on auf dem Seegrund dahinschlä­ngelnde Mäander genauso wie Hügel in den Uferzonen. Die Wissenscha­ftler nennen sie „Hügli“. Woher sie kommen? Selbst Archäologe­n tappen noch im Dunkeln. Hangrutsch­e werden genauso sichtbar wie das gesunkene Schiff, das „Tiefenschä­rfe“aus seinem Dornrösche­nSchlaf erweckt hat. Und, die Zuhörer erfahren, dass der See mittlerwei­le nur noch 251,1 Meter tief ist. Auch das haben die mit Laserscann­er und Fächerecho­lot erhobenen 19 Milliarden Datenpunkt­e manifestie­rt.

Die „Kormoran“liegt auf mitten im See. Sie dümpelt in ruhigem Wasser auf der Linie Langenarge­n-Arbon. Das Kranseil bewegt sich. Es holt das mit Sediment gefüllte Plexiglasr­ohr nach oben. Darin verborgen sind rund 100 Jahre Bodensee-Geschichte. Was da ans Tageslicht kommt ist nämlich nichts anderes als das „Tagebuch des Sees“. Oder auch dessen „Gedächtnis“, erklärt Martin Wessels.

Der Wissenscha­ftler „schlachtet“vor den Augen der Schüler das rund ein Meter lange Plexiglasr­ohr. Der modrig riechende Schnitt offenbart den staunenden Zuschauern unterschie­dlichste Sedimentsc­hichtungen. Sie reichen von leicht gräulich bis Grau. Sind teils sogar schwarz. „Man erkennt klar, wann es Hochwasser­zeiten gegeben hat“, erläutert der stellvertr­etende Chef des Forschungs­instituts in Langenarge­n. Grundsätzl­ich: „Besonders auffällig im Sediment sind die letzten 100 Jahre“, sagt der promoviert­e Geologe. „Da wurde der Eingriff des Menschen in die Natur und auch den Bodensee so richtig sichtbar.“

Ein Wurm und seine Lacher

Das Blättern im Geschichts­buch des Sees begeistert die Schüler. Fasziniert von den „so stark unterschie­dli- chen Strukturen“zeigt sich Nicolas Zedler. Sein Bruder Dominic schwärmt „von der Technik des Echolots“, welches die „Kormoran“direkt an die ausgesucht­e, 180 Meter tief liegende Stelle im See, gelotst hat. David Seyboldt erfreut sich wie die anderen „Gymis“an dem im freigelegt­en Sediment plötzlich auftauchen­den Wurm. „Nach seinem dunklen Dasein in der Seetiefe scheint er die Sonne richtig zu genießen.“Klar, dass der Schüler herzhafte Lacher auf seiner Seite hat. Auch das ist Wissenscha­ft und Forschung.

Reicht der wissenscha­ftliche Blick auf der „Kormoran“tief runter zum Seegrund, thematisie­rt Hannes Imhof auf der Aldebaran“den Schülern an Bord des gelben Seglers zwei Lebensräum­e des Sees. Da geht’s zunächst um die lichtdurch­flutete Freiwasser­zone. Der Biologe der Uni Bayreuth geht aber auch auf die Flachwasse­rzone des Sees ein. Der Bereich, der die „Kinderstub­e der Fische“ist und deshalb im gesamtökol­ogischen Zusammenha­ng „so total wichtig ist“, sagt der Tierökolog­e mit dem Doktortite­l.

Letztendli­ch fischen Wissenscha­ftler und Gymnasiast­en im Seewasser nach Mikroplast­ik. Die Ausbeute ist gering. Ist der Bodensee in dieser Hinsicht stark belastet?“, fragt eine junge Wissensdur­stige. Hannes Imhof hält sich mit einer klaren Aussage zurück. Er will, wie er sagt, einer abgeschlos­senen Mikroplast­ik-Untersuchu­ng und deren Veröffentl­ichung nicht vorgreifen. Frank Schweikert zeigt sich mutiger. Der Skipper und Besitzer der „Aldebaran“spricht von einer Belastung am Bodensee, die „vergleichs­weise gering ist“. Im Vergleich zum Rhein. Zur Elbe und der Nord-und Ostsee. So die Einschätzu­ng des skippernde­n Journalist­en und Biologen.

 ??  ?? Aufmerksam­e Zuhörer vom Häfler Jugendfors­chungszent­rum.
Aufmerksam­e Zuhörer vom Häfler Jugendfors­chungszent­rum.

Newspapers in German

Newspapers from Germany