Totes Kind: Mutter nicht mehr in U-Haft
Für die Ermittler der Lindauer Kriminalpolizei war der Fall im September belastend
LINDAU - Der Fall ging den Lindauer Kripo-Beamten an die Nieren: Mitte September verganenen Jahres fanden Polizisten ein neunjähriges Mädchen tot in einer Lindauer Wohnung. Kurze Zeit später ist gegen seine Mutter ein Haftbefehl erlassen worden. Sie hatte gestanden, das Kind getötet zu haben. Laut Staatsanwaltschaft Kempten ist die Beschuldigte bereits im Februar aus der Haft entlassen worden. Ob und wann es zu einer Verhandlung kommt, ist noch unklar. Die Beamten der Lindauer Kriminalpolizei berichteten indes beim Jahrespressegespräch am Mittwoch, wie sehr sie an dem Geschehenen zu knabbern hatten.
Der Haftbefehl gegen die Frau sei mit Beschluss vom 16. Februar aufgehoben worden, schreibt Teresa Kern, Sprecherin der Staatsanwaltschaft Kempten, auf Anfrage der Lindauer Zeitung, „da ein dringender Tatverdacht einer verfolgbaren Straftat nicht mehr vorlag.“Was das genau bedeutet, dazu äußert sich Kern nicht. Ein „dringender Tatverdacht einer verfolgbaren Straftat“liegt aber zum Beispiel dann nicht mehr vor, wenn ein Tatverdächtiger für schuldunfähig befunden wird.
Dass das Verfahren eingestellt wurde, bestätigt Kern auf Nachfrage der LZ nicht. „Das Verfahren ist nach wie vor anhängig“, schreibt sie. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft seien noch nicht abgeschlossen.„
Auch beim Jahrespressegespräch der Lindauer Kriminalpolizei ist der Fall Thema gewesen. „So eine Situa- tion hat man nicht jeden Tag. Wenn eine Mutter ihr eigenes Kind tötet, ist das schon belastend“, erzählt Kriminalhauptkommisar Thomas Röhl. Er ist im September vergangenen Jahres einer der Ermittler vor Ort gewesen.
Rückblick: Weil eine damals 47-jährige Frau nicht zur Arbeit erschien war und ihre Tochter nach den Ferien nicht zur Schule gekommen war, öffneten Polizei und Feuerwehr eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus. Sie fanden ein neunjähriges Mädchen tot auf dem Sofa. Die Mutter war ebenfalls in der Wohnung und wurde in lebensbedrohlichem Zustand ins Krankenhaus eingeliefert. Sie hatte Medikamten genommen, in der Absicht, sich das Le- ben zu nehmen. Als es ihr wieder besser ging, gestand sie, ihr Kind getötet zu haben. Es sei dieser Fall gewesen, der die Beamten im vergangenen Jahr am meisten beschäftigt habe, erzählt Kripo-Chef Kurt Kraus. „Ein solches Ereignis stellt für alle Beteiligten und eingesetzten Personen, insbesondere aber für die Ermittler, eine äußerst belastende Situation dar, mit der nicht leicht umzugehen ist.“Er habe zwar drüber nachgedacht, sich am Ende aber doch dagegen entschieden, einen Polizeiseelsorger um Hilfe zu bitten. „Wir sind hier ein sehr familiärer Kreis, fangen solche Situationen gut auf“, sagt Kraus. Es sei nach solchen Ereignissen wichtig, nicht allein zu sein, sich über das Erlebte auszutauschen. „Aber man weiß trotzdem nie so genau, was sich festfrisst“, ergänzt Röhl. Manche traumatisierenden Erlebnisse kämen Jahre später hoch.
„So eine Situation hat man nicht jeden Tag.“Kriminalhauptkommisar Thomas Röhl