Schwäbische Zeitung (Wangen)

Volvo probiert’s mal mit Gemütlichk­eit

Im Juli bringen die Schweden die zweitew Generation des XC60 in den Handel

-

Normalerwe­ise gibt es im Automobilg­eschäft eine klare Nord-Süd-Verteilung: Je teurer die Autos sind, desto weiter im Süden sind die Hersteller zu Hause. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel. Ausgerechn­et im Boomsegmen­t der kompakten Geländewag­en für Besserverd­iener hat der Norden die Nase vorn. Denn nicht der Audi Q5, der BMWX3 oder der Mercedes GLC führt diese Statistik an, sondern der Volvo XC60. Kein Wunder also, dass die Schweden in die Vollen gehen, wenn sie den Bestseller nach stolzen acht Jahren jetzt erneuern und am 22. Juli zu Preisen ab 48 050 Euro die zweite Generation in den Handel bringen.

Hinten üppige Beinfreihe­it

Weil das Beste für den Verkaufssc­hlager gerade gut genug ist, bedienen sie sich für die Neuauflage bei ihrem Flaggschif­f XC90. Auch der XC60 steht deshalb auf der sogenannte­n SPA-Plattform, die außen knackige Proportion­en und innen so viel Platz ermöglicht, dass es bei 4,69 Metern Länge auch in der zweiten Reihe für üppige Beinfreihe­it und dahinter für stolze 505 Liter Kofferraum reicht, die sich auf 1432 Liter erweitern lassen. Er übernimmt die nur dezent mit ein paar Sicken verfeinert­e Designlini­e und Details wie das von Thors Hammer inspiriert­e Tagfahrlic­ht. Und er bietet ein genauso cooles, aufgeräumt­es und ungeheuer gemütliche­s Interieur wie sein großer Bruder.

Das von einer hellen, großen Schwinge aus Holz und Aluminium getragene Cockpit wird deshalb auch im XC60 dominiert von animierten Instrument­en und einem großen, senkrecht stehenden Touchscree­n. Die wenigen Schalter, die diesen Bildschirm überdauert haben, werden dafür umso liebevolle­r inszeniert – wie zum Beispiel die metallene Walze für die Wahl der Fahrmodi oder der wie ein Ring gefasste Würfel, mit dem man den Motor anlässt. Selbst der Schlüssel ist ein kleines Kunstwerk für sich.

Die Motoren kennt man ebenfalls aus den 90er-Modellen, da Volvo erst einmal weit oben einsteigt und nur die starken Triebwerke samt Allrad und Automatik einbaut. Zwar malt Firmenchef Hakan Samuelsson die Zukunft des Diesels schwärzer als die meisten Konkurrent­en oder spricht seine Skepsis zumindest deutlicher aus. Nicht umsonst gibt es den XC60 deshalb vom Start weg auch als T8 mit Plug-in-Hybrid, einer Systemleis­tung von 407 PS, einer elektrisch­en Reichweite von 45 Kilometern und einem theoretisc­hen Normverbra­uch von 2,1 Litern.

Dennoch ist Volvo nach wie vor der Premiumher­steller mit dem höchsten Dieselante­il. Die Schweden brauchen die Selbstzünd­er zwingend zum Erreichen der CO2Vorgabe­n und werden deshalb auch den XC60 vor allem wieder als Ölbrenner verkaufen. Und das ist auch gut so. Zumindest wenn Interessen­ten den D4 links liegen lassen und gleich in den D5 einsteigen. Der holt aus den 2,0 Litern Hubraum nämlich nicht nur 235 statt 190 PS und hat mit 480 das um 80 Newtonmete­r höhere Drehmoment. Sondern er nutzt obendrein eine Art Drucklufts­peicher in den unteren Gängen als Schrittmac­her für den Turbo und kommt so spürbar schneller aus dem Quark: Für den Sprint von 0 auf 100 km/h benötigt er 7,2 Sekunden, und wer sich am kernigen Klang nicht stört, kann mit immerhin 220 Sachen über die linke Spur rauschen.

Durstige Benziner

Wer die Lust am Diesel aus gegebenem Anlass verloren hat, kann zwischen zwei Benzinern mit ebenfalls 2,0 Litern Hubraum wählen: dem 254 PS starken T5 und dem T6, der es auf 320 PS bringt. Damit schafft man den Spurt von 0 auf 100 dann zwar im besten Fall in 5,9 Sekunden und kommt bei Vollgas auf bis zu 230 km/h. Aber dafür gönnen sich die Triebwerke mit 7,2 oder 7,7 Litern schon auf dem Prüfstand ein Drittel mehr als die Diesel, die mit 5,1 oder 5,5 Litern in der Liste stehen.

Zwar sieht der XC60 bei aller Ähnlichkei­t ein bisschen schnittige­r aus als sein großer Bruder, der Fahrer wähnt sich im statt auf dem Sitz und greift etwas engagierte­r zum Lenkrad. Doch so richtig dynamisch fühlt sich der XC60 selbst im schärfsten Fahrmodus nicht an. Zu weich ist die Luftfeder, zu stark wankt der Aufbau beim Lastwechse­l, und zu soft ist die Lenkung, als dass man damit durch die Kurven räubern möchte. Zart statt hart, so mag es das Nordlicht offenbar und überlässt die Adrenalind­usche lieber den deutschen Südländern. Genau wie den Vortritt bei Vollgas, wo selbst der schnellste Volvo nicht die bei BMW & Co zumindest für die stärkeren Modelle gesetzten 250 km/h erreicht.

Statt sich ins Lenkrad zu verbeißen, die Kurven zu kratzen und mit der Lichthupe zu nerven, geht der XC60-Fahrer es viel lieber ganz lo- cker und entspannt an, kuschelt sich in die vielleicht bequemsten Sitze im Segment, lässt sich in ein dank des aktiven Lenkeingri­ffs bei drohenden Kollisione­n noch enger geknüpftes Sicherheit­snetz fallen und kommt in dieser Wohlfühloa­se auf Rädern zu der Erkenntnis: Wer länger fährt, kann auch länger genießen.

Stolze Preise

Schöner und schlauer, cooler und besser connected, geräumiger und gemütliche­r – natürlich macht der Volvo XC60 beim Generation­swechsel einen gewaltigen Sprung nach vorn. Doch leider gilt das zumindest bis zur Verfügbark­eit der Basismotor­isierungen auch für den Preis. Deshalb ist es ein Trost, dass der alte XC60 noch längst nicht zum alten Eisen gehört. Nachdem der Wagen 2016 sein bestes Jahr gehabt hatte und noch einmal auf knapp 15 000 Zulassunge­n gekommen war, hat Volvo die Produktion über den Anlauf des Nachfolger­s hinaus bis in den August verlängert.

 ?? FOTOS: VOLVO ?? Der neue XC60 wirkt – zumindest optisch – ein bisschen schnittige­r als sein großer Bruder XC90.
FOTOS: VOLVO Der neue XC60 wirkt – zumindest optisch – ein bisschen schnittige­r als sein großer Bruder XC90.
 ??  ?? An Platz mangelt es nicht im Innenraum des XC60.
An Platz mangelt es nicht im Innenraum des XC60.

Newspapers in German

Newspapers from Germany