„Das war etwas ganz Besonderes“
Familie Schütterle aus Untereschach feierte beim diesjährigen Blutritt insgesamt 150 Teilnahmen
WEINGARTEN – Sie heißen Josef, Michael, Martin, Antonia, Valerie. Zusammen bringt es Familie Schütterle auf stolze 150 Teilnahmen beim Blutritt in Weingarten. Zumindest in diesem Jahr, denn da waren die 10jährige Antonia zum vierten Mal, die 13-jährige Valerie zum sechsten Mal, ihr Vater Martin und sein Bruder Michael jeweils zum 35. Mal dabei. Für Josef Schütterle, Vater von Michael und Martin und Großvater von Valerie und Antonia, war der Blutfreitag 2017 seine 70. Teilnahme. „Das war etwas ganz Besonderes“, schwärmt der 88-Jährige. Er sei ja schon ein bisschen in die Jahre gekommen, da wisse man nicht, was der Herrgott noch mit einem vorhabe. „Du bist Alterspräsident“, sagte sein Sohn ihm. „Du musst dabei sein.“
Den Rummel um seine Person an diesem Tag mit Medaillenübergabe, Urkunde, der Besuch von Dekan Schmid und die vielen Gratulanten, die dem Jubilar die Hand schüttelten, haben ihn sichtlich gerührt. Sohn Martin sei hoch besorgt gewesen, ein möglichst ruhiges Pferd für ihn zu bekommen, damit nichts passiert. Er durfte an seinem Ehrentag auch ein wenig länger schlafen, um richtig fit zu sein. Glück mit dem Wetter hatten sie auch. Die Sonne schien und es war richtig warm. Schon fast ein bisschen zu warm. Zeitweise kam er ganz schön ins Schwitzen unter dem Zylinder und dem Gehrock, der 100 Jahre alt ist und den sein Vater Georg trug.
Eigentlich wäre es sogar schon seine 71. Teilnahme gewesen, hätten die Nazis den Blutritt am 3. Mai 1940 nicht kurzfristig abgesagt. „Wir hatten schon unseren Proberitt gemacht“, erinnert sich Josef Schütterle, der damals Ministrant war. „Offiziell hieß es, wegen des Krieges könnten Tiefflieger eine Gefahr sein. Aber wir wussten natürlich, dass den Nazis unser katholisches Fest ein Dorn im Auge war.“Erst nach dem Krieg sollte er zum ersten Mal dabei sein – allerdings nicht zu Pferd. 1946 verbot die französische Besatzungsmacht Pferde beim Blutritt und auch noch ein Jahr später mussten die Gruppen zu Fuß gehen. Dann, 1948, durften die Reiter wieder zu Ross unterwegs sein.
Pferde haben im Leben von Josef Schütterle immer eine große Rolle gespielt. In Untereschach besaß die Familie bis 1970 eine Mühle, deren Geschichte bis ins Jahr 1684 zurückgeht. Außerdem gab es dort noch einen Hof und ein Sägewerk – das es in anderer Form heute noch gibt. Die dort beschäftigen stämmigstoischen Kaltblüter eigneten sich hervorragend für den Blutritt. „Die hat nichts aus der Ruhe gebracht“, erzählt Josef Schütterle, „auch keine laut aufspielende Kapelle. Als immer mehr Traktoren das Alltagsbild auf den Höfen prägten, verschwanden Arbeitspferde. Anfang der 1970erJahre mussten dann schon Tiere aus einem Umkreis von 100 Kilometern zum Blutritt gebracht werden. Heute sind bei den Schütterles noch sieben Pferde untergebracht. Darunter sind auch zwei Ponys. Um Lulu und Jimmy kümmern sich Valerie und Antonia. Während der Schulzeit sind sie immer mittwochs im Stall, in den Ferien natürlich öfters.
In erster Linie geht es jedoch allen Familienmitgliedern um den religiösen Charakter der Prozession. Sie sind gläubige Christen und Mitglieder in der Blutreitergruppe Eschach, die es seit 1908 gibt und die man an der weiß-gelben Schärpe erkennt. Eines der Gründungsmitglieder der Gruppe war Georg Schütterle. „Der Blutritt ist für mich eine große Wallfahrt zu Ehren des Blutes Christi“, sagt Josef Schütterle. Und Sohn Martin gibt er Kraft für das ganze Jahr. Auch die beiden Mädchen sind stolz, als Ministrantinnen dabei sein zu dürfen. Valerie, die Ältere, denkt jetzt schon daran, wie es sein wird, wenn sie einmal nicht mehr mitreiten darf. „Ich mag gar nicht größer und schwerer werden“, sagt die 13Jährige. Doch bis sich diese Frage stellen wird, ist es noch Zeit – und wer weiß, ob dann Frauen ganz offiziell mitreiten dürfen.
Anekdoten aus der Vergangenheit weiß Josef Schütterle natürlich auch zu erzählen. So beispielsweise aus dem Jahr 1958, als es am Blutfreitag schneite und bitterkalt war. Oder die Geschichte von dem Rittmeister aus dem Schwarzwald, der die Prozession despektierlich als „Theater“und „Pferdeschau“abtat. „Da hat der liebe Herrgott sofort reagiert“, meint er schmunzelnd. Sein Pferd ist am Blutfreitag gestürzt und der Rittmeister landete im Dreck.
Doch mit 150 Teilnahmen ist die Familiengeschichte der Schütterles noch lange nicht zu Ende. Die Jüngste, Emma, gerade einmal eineinhalb Jahre, wird die Tradition sicherlich aufgreifen.