Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nicht nur „grün“im zweiten Leben

Viele Windparks erreichen ihr Rentenalte­r – Das Recycling der Anlagen ist aber noch ein Problem

- Von Rolf Schraa

LÜNEN (dpa) - Windparks arbeiten umweltfreu­ndlich und ohne den Klimakille­r CO2 – bis sie ausrangier­t werden. Danach sieht die grüne Bilanz weniger positiv aus. Die riesigen Rotorblätt­er der Windanlage­n aus mit Harz verklebten Glasfaser- oder Carbonverb­undstoffen lassen sich bisher kaum wiederverw­erten. Sie werden meist geschredde­rt und verbrannt und belasten dabei auch noch die Filter der Öfen. Mehr als 28 000 Windkrafta­nlagen sind derzeit bundesweit im Landesinne­ren und in der Nord- und Ostsee im Einsatz.

„Wir laufen auf ein Riesenprob­lem zu“, sagt der Sprecher des großen deutschen Recyclingu­nternehmen­s Remondis in Lünen, Michael Schneider. Denn viele Anlagen aus den Anfangsjah­ren der Energiewen­de erreichten demnächst das Ende ihrer 20-jährigen Förderzeit nach dem Erneuerbar­e-Energien-Gesetz (EEG). Viele von ihnen dürften danach mangels Rentabilit­ät abgebaut werden. Das Recyclingu­nternehmen fordert strengere rechtliche Vorgaben für die Wiederverw­ertung – nicht nur bei Windparks, sondern auch für Verbundsto­ffe im Autobau.

Bisher sei es kaum möglich, die mit Harz verklebten Fasern wieder zu trennen. „Wir kriegen die nicht mehr auseinande­r“, sagt Schneider. Und die Betreiber von Verbrennun­gsanlagen – etwa Zementwerk­e – nähmen die Stoffe wegen der Belastung der Filter nur ungern und in kleinen Mengen an.

16 000 Tonnen Recyclingm­aterial

Windanlage­n mit rund 4000 Megawatt Kapazität fallen laut Bundesverb­and Windenergi­e Ende 2020 aus der Energiewen­de-Förderung und stehen danach wohl überwiegen­d vor dem Aus, falls der Börsenstro­mpreis nicht deutlich anzieht. Legt man 5-Megawatt-Turbinen-Anlagen nach aktuellem Techniksta­nd zugrunde, entspricht das mindestens 800 großen Windmühlen. Tatsächlic­h sind es wohl deutlich mehr. Hinzu kommen Anlagen, die nach Defekten, Unfällen oder aus Altersgrün­den ersetzt werden. Remondis rechnet 2017 mit bundesweit mehr als 9000 Tonnen Recyclingm­aterial aus Rotorblätt­ern und einem Anstieg auf rund 16 000 Tonnen jährlich bis 2021.

Der Wind-Verband sieht die Problemati­k gelassener. Der ganz überwiegen­de Teil der Windräder aus Stahl, Aluminium, Kupfer und Beton lasse sich problemlos wiederverw­erten, sagt Sprecher Wolfram Axthelm. Auch für die Rotoren gebe es derzeit „ausreichen­de Entsorgung­smöglichke­iten“. Außerdem liefen aussichtsr­eiche Forschungs­vorhaben für eine Trennung der Verbundsto­ffe in den Rotoren etwa beim Fraunhofer-Institut für Chemische Technologi­e in Pfinztal (Baden-Württember­g).

Das Institut hat bei der technisch aufwendige­n Trennung erste Erfolge erzielt. „Wir arbeiten an einer Lösung, die Verbundsto­ffe aus Holz, Glasfaserm­atten und Harz mit kleinen Sprengladu­ngen zu demontiere­n und so die einzelnen Fraktionen zu trennen“, sagt ein Sprecher. Die Technik funktionie­re im Forschungs­maßstab, Ziel sei die Umsetzung auch für industriel­le Mengen in den nächsten drei bis fünf Jahren.

Offen ist allerdings, wie teuer die Stofftrenn­ung wird und ob die Anlagenbet­reiber wegen der Zusatzkost­en beim Rückbau damit nicht draufzahle­n. „Einen Preis gibt es noch nicht, das wäre spekulativ“, sagt Windverban­dssprecher Axthelm. Bisher bilden die Anlagenbet­reiber Reserven von im Schnitt 40 000 bis 60 000 Euro pro Megawatt maximaler Erzeugungs­kapazität für den Rückbau nach der Betriebsze­it. Diese Rückstellu­ngen reichten bisher problemlos, weil das Altmetall der Anlagen ja auch Erlöse bringe, so Axthelm.

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FOTO: DPA Reste alter Windkrafta­nlagen: Das Recycling der aus faserverst­ärktem Kunststoff bestehende­n Rotorblätt­er ist technologi­sch noch nicht gelöst.

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