Feinstaubalarm = Luftreinhaltetag
Stuttgart fürchtet um seinen Ruf – und will nun seinen Namen reinwaschen
STUTTGART (lsw) - Der Ruf der Stadt ist in Gefahr. Lange stand Stuttgart, Baden-Württembergs Landeshauptstadt, für Innovation, Schaffenskraft und Reinlichkeit. Doch seit geraumer Zeit zieht schlechte Luft durch den Talkessel und das gute Image der Stadt in den Dreck. Deutschlands schmutzigste Kreuzung wurde am Neckartor nahe der Innenstadt ausgemacht, Stuttgart ist längst untrennbar verwoben mit dem Begriff Feinstaubalarm. Das muss aufhören, findet der Gemeinderat, und will lieber von „Luftreinhaltetag“sprechen. Entschieden wird über die Umbenennung Ende Juni.
Die Kämpfer für einen saubereren Namen für Stuttgarts krank machende Luft sitzen vor allem in der CDUFraktion. Seit Jahren stoßen sich die Lokalpolitiker an dem Namen Feinstaubalarm. Die „provokante Bezeichnung“signalisiere „eine kurzfristige, akute und höchst gefährliche Ausnahmesituation“– ähnlich einem Feueralarm, einem Bombenalarm, einem Tsunami-Alarm. Der Imageschaden sei dadurch gewaltig.
Den Alarm gibt es seit Anfang 2016. Werden die EU-Grenzwerte für gesundheitsschädlichen Feinstaub absehbar an mehreren Tagen hintereinander überschritten, rufen Stadt und Land die Autofahrer zum freiwilligen Umstieg auf Busse und Bahnen auf. Nutzer von Kaminen, die allein der Gemütlichkeit dienen, müssen diese ruhen lassen. Feinstaubalarm gibt es nur im Winter, da es dann häufiger Wetterlagen gibt, bei denen die Schadstoffe nah am Boden gehalten werden. Dennoch wurden die Werte am Neckartor auch Anfang Juni an zwei Tagen deutlich überschritten. In diesem Jahr sind sie wieder so hoch, dass Stadt und Land verpflichtet sind, den Verkehr am Neckartor ab 2018 zu reduzieren. Geplante Fahrverbote werden hitzig diskutiert.
Im Winter 2016/17 galt an 85 Tagen Feinstaubalarm. „Der Feinstaub ist ein Problem und der Begriff Feinstaubalarm schafft ein weiteres Problem, das nicht nötig ist“, so die CDU. Auf der Suche nach einem neuen Begriff für das alte Problem habe man über „Austauscharme Wetterlage“, „Feinstaubtag“oder „Feinstaubsignal“nachgedacht.
Oberbürgermeister Fritz Kuhn (Grüne) ist auch für eine neue Bezeichnung ab Herbst. Da neben dem Feinstaub die in erster Linie vom Autoverkehr verursachten Stickoxide inzwischen das viel größere Problem sind, plädiert Kuhn für den Begriff „Schadstoffwarnung“. Eine erste Abstimmung im Umweltausschuss lässt aber vermuten, dass der „Luftreinhaltetag“der CDU letztlich kommt. Freie Wähler, AfD und FDP sind dafür, die SPD will sich enthalten.
Gut möglich also, dass es ab Herbst zwei Begriffe für das gleiche Problem gibt, denn das Land wird an Tagen mit überhöhten Feinstaubund Stickoxidwerten von „Schadstoffwarnung“sprechen. Man müsse dem Fakt Rechnung tragen, dass die Stickoxide inzwischen das größere Problem seien. Vor beiden Schadstoffen werde gewarnt, heißt es im Ministerium. Folge könnte sein, dass etwa die Brückenbanner, mit denen das Land Autofahrer informiert, die Aufschrift „Schadstoffwarnung“tragen, während die Leuchttafeln der Stadt weiter für die Teilnahme am gemeinsamen „Luftreinhaltetag“werben.