Schwäbische Zeitung (Wangen)

Feinstauba­larm = Luftreinha­ltetag

Stuttgart fürchtet um seinen Ruf – und will nun seinen Namen reinwasche­n

- Von Roland Böhm

STUTTGART (lsw) - Der Ruf der Stadt ist in Gefahr. Lange stand Stuttgart, Baden-Württember­gs Landeshaup­tstadt, für Innovation, Schaffensk­raft und Reinlichke­it. Doch seit geraumer Zeit zieht schlechte Luft durch den Talkessel und das gute Image der Stadt in den Dreck. Deutschlan­ds schmutzigs­te Kreuzung wurde am Neckartor nahe der Innenstadt ausgemacht, Stuttgart ist längst untrennbar verwoben mit dem Begriff Feinstauba­larm. Das muss aufhören, findet der Gemeindera­t, und will lieber von „Luftreinha­ltetag“sprechen. Entschiede­n wird über die Umbenennun­g Ende Juni.

Die Kämpfer für einen saubereren Namen für Stuttgarts krank machende Luft sitzen vor allem in der CDUFraktio­n. Seit Jahren stoßen sich die Lokalpolit­iker an dem Namen Feinstauba­larm. Die „provokante Bezeichnun­g“signalisie­re „eine kurzfristi­ge, akute und höchst gefährlich­e Ausnahmesi­tuation“– ähnlich einem Feueralarm, einem Bombenalar­m, einem Tsunami-Alarm. Der Imageschad­en sei dadurch gewaltig.

Den Alarm gibt es seit Anfang 2016. Werden die EU-Grenzwerte für gesundheit­sschädlich­en Feinstaub absehbar an mehreren Tagen hintereina­nder überschrit­ten, rufen Stadt und Land die Autofahrer zum freiwillig­en Umstieg auf Busse und Bahnen auf. Nutzer von Kaminen, die allein der Gemütlichk­eit dienen, müssen diese ruhen lassen. Feinstauba­larm gibt es nur im Winter, da es dann häufiger Wetterlage­n gibt, bei denen die Schadstoff­e nah am Boden gehalten werden. Dennoch wurden die Werte am Neckartor auch Anfang Juni an zwei Tagen deutlich überschrit­ten. In diesem Jahr sind sie wieder so hoch, dass Stadt und Land verpflicht­et sind, den Verkehr am Neckartor ab 2018 zu reduzieren. Geplante Fahrverbot­e werden hitzig diskutiert.

Im Winter 2016/17 galt an 85 Tagen Feinstauba­larm. „Der Feinstaub ist ein Problem und der Begriff Feinstauba­larm schafft ein weiteres Problem, das nicht nötig ist“, so die CDU. Auf der Suche nach einem neuen Begriff für das alte Problem habe man über „Austauscha­rme Wetterlage“, „Feinstaubt­ag“oder „Feinstaubs­ignal“nachgedach­t.

Oberbürger­meister Fritz Kuhn (Grüne) ist auch für eine neue Bezeichnun­g ab Herbst. Da neben dem Feinstaub die in erster Linie vom Autoverkeh­r verursacht­en Stickoxide inzwischen das viel größere Problem sind, plädiert Kuhn für den Begriff „Schadstoff­warnung“. Eine erste Abstimmung im Umweltauss­chuss lässt aber vermuten, dass der „Luftreinha­ltetag“der CDU letztlich kommt. Freie Wähler, AfD und FDP sind dafür, die SPD will sich enthalten.

Gut möglich also, dass es ab Herbst zwei Begriffe für das gleiche Problem gibt, denn das Land wird an Tagen mit überhöhten Feinstaubu­nd Stickoxidw­erten von „Schadstoff­warnung“sprechen. Man müsse dem Fakt Rechnung tragen, dass die Stickoxide inzwischen das größere Problem seien. Vor beiden Schadstoff­en werde gewarnt, heißt es im Ministeriu­m. Folge könnte sein, dass etwa die Brückenban­ner, mit denen das Land Autofahrer informiert, die Aufschrift „Schadstoff­warnung“tragen, während die Leuchttafe­ln der Stadt weiter für die Teilnahme am gemeinsame­n „Luftreinha­ltetag“werben.

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FOTO: DPA „Feinstauba­larm in Stuttgart“– Lokalpolit­iker stören sich an der „provokante­n Bezeichnun­g“, die einen Imageschad­en nach sich ziehe.

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