Nato setzt starke Zeichen für kleine Partner
ie baltischen Staaten Estland und Lettland sind besetzt, mehrere Tausend Soldaten der Nato-Einsatzgruppe sind in der Nähe der estnischen Hauptstadt Tallinn eingeschlossen: Ein Übungsszenario, mit dem sich in diesen Tagen Militärs aus 19 Nationen beschäftigen. Bei der US-Übungsserie „Saber Strike 2017“auf dem Truppenübungsplatz im bayerischen Grafenwöhr kommt der Aggressor, dessen Truppen Estland und Lettland überfallen haben, nicht aus dem Osten, nicht aus Russland. „Bothnia“heißt der Gegner, auf der Manöverkarte im friedliebenden Norwegen zu finden. Geübt wird mit Computersimulationen, wie NatoVerbände den baltischen Staaten im Falle einer Aggression rasch und effektiv zu Hilfe kommen könnten. Drei politische Botschaften will die Nato mit „Saber Strike“platzieren, wie Generalleutnant Richard Roßmanith, Befehlshaber des in die Übungsleitung stark eingebundenen Ulmer Multinationalen Kommandos Operative Führung, erklärt: „Das Bündnis zeigt Solidarität, es erfüllt den Artikel 5 mit Leben und leistet gegenseitig Beistand.“Der Artikel 5 des Nordatlantikvertrags verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Beistand im Fall eines bewaffneten Angriffs auf einen Bündnispartner.
Russland nicht reizen
Russland ist zwar gemeint, wenn in den Stäben von „Bothnia“gesprochen wird. Offiziell wird Russland aber keineswegs erwähnt: Das gehört zum rücksichtsvollen diplomatischen Verhaltenskodex der Nato. Schließlich gibt es schon genug Ärger mit Moskau, das man – auch mit Blick auf die Ukraine – nicht unnötig reizen will.
Für die „Bewegung nach vorne“während der Befreiung Estlands und Lettlands plant die Nato während ihrer Übung „Saber Strike“bis zu 150 000 Soldaten, vier Divisionen aus Polen, Deutschland, den USA und Dänemark unter der Führung des multinational besetzten Korps in Stettin ein. Hinzu kämen Luftwaffe, Marine und Spezialeinheiten.
Auch dieses militärische Zeichen setzt das Bündnis: Eine Auseinandersetzung im Baltikum bliebe nicht auf die bereits dort stationierten Truppen beschränkt. „Unser Ziel: Die territoriale Integrität der Staaten wird wiederhergestellt, die regionale Stabilität ebenso“, sagt Generalleutnant Roßmanith: „Wir schaffen Situationen, dass beide Seiten miteinander verhandeln können.“Im Idealfall würde „Bothnia“aufgeben und abziehen: „Sonst würden wir versuchen, die gegnerischen Truppen zu zerschlagen, dabei nehmen wir eigene Verluste in Kauf“, sagt der deutsche General.
Ein drittes Zeichen geht von „Saber Strike“aus: In Zeiten, in denen viele Zeichen aus der Trump-Administration fragen lassen, ob man sich auf die USA noch verlassen kann, erhöht die Nato ihre Schlagkraft in Europa. Zehn schnell einsetzbare und verlegbare Kommandostäbe mit einem Drei-Sterne-General an der Spitze soll es auf dem alten Kontinent geben, die der Nato zur Verfügung stehen.
Das Stettiner Korps zertifiziert sich für diese Aufgabe während „Saber Strike“, das Ulmer Kommando will im Mai 2018 bei der Übung „Trident Jaguar“im norwegischen Stavanger den begehrten Nato-TÜV bekommen. Ab Juli 2018 könnte dann theoretisch jederzeit ein Einsatzbefehl der Nato erfolgen.