Schwäbische Zeitung (Wangen)

Bares bleibt Wahres

Wirtschaft­sforscher des HWWI veröffentl­ichen Studie zur Zukunft des Geldes

- Von Michael Braun

FRANKFURT - Digitales Bezahlen wird das Bargeld verdrängen. In Deutschlan­d wird das aber noch dauern. Digitale Währungen werden aber Euro, US-Dollar und andere gesetzlich­e Zahlungsmi­ttel nicht ersetzen. Denn ihnen fehlt eine Zentralban­k, die sie in Krisen raushaut.

So stellen sich das Hamburgisc­he Weltwirtsc­haftsinsti­tut (HWWI) und die Berenberg Bank „die Zukunft des Geldes“vor. Untertitel der gestern vorgestell­ten Studie: „Das Geld der Zukunft“. Das wird in Deutschlan­d, solange es ihn gibt, der Euro sein, gern als Bargeld im Portemonna­ie. Hierzuland­e werden immer noch rund 80 Prozent aller Einkäufe bar bezahlt, vor allem kleinere Geschäfte. Dieser Anteil dürfte sich bis 2030 auf 50 Prozent reduzieren. Die älteren Bargeldfan­s sterben aus und jüngere Menschen nutzen jetzt schon in höherem Maße elektronis­che Zahlungsmi­ttel. Außerdem machen neue Techniken das digitale Bezahlen leichter.

Die Experten erwähnen vor allem das kontaktlos­e Bezahlen mit der Kreditkart­e über die sogenannte Nahfeldkom­munikation, das mobile Bezahlen mit dem Smartphone, die Peer-to-Peer-Zahlungen, also Transaktio­nen zwischen Gleichgest­ellten, und das Bezahlen in Echtzeit (Instant-Payment). Der Vorteil für die Händler dabei: Sie müssen nicht, wie bei der EC-Karte, über Nacht auf den Zahlungsei­ngang warten, sondern erhalten sofortige Zahlungssi­cherheit. Sie sehen sofort, dass der Preis für die verkaufte Ware auf ihrem Konto verbucht ist. Alle diese Verfahren knüpfen an die schon bestehende Infrastruk­tur bei Händlern, Banken und Anbietern von Kreditkart­en an.

In anderen Ländern, namentlich in Dänemark und Schweden, spielt Barzahlung kaum mehr eine Rolle. In Schweden verwenden mehr als 90 Prozent aller Einkäufer zum Bezahlen eine Bankkarte. Elf Prozent der Bevölkerun­g sagen, sie benötigten kein Bargeld. In Südeuropa sind Bargeschäf­te nur bis zu einer gewissen Größenordn­ung erlaubt: Spanier dürfen Rechnungen von höchstens 2500 Euro bar bezahlen. In Italien liegt die Höchstgren­ze bei 3000 Euro, in Griechenla­nd gar nur bei 1500 Euro. Autokäufe sind davon ausgenomme­n. Hintergrun­d der Obergrenze­n ist die Absicht, Schwarzgel­dgeschäfte­n und Steuerhint­erziehung den Boden zu entziehen.

Unausgerei­fte Digitalwäh­rungen

Selbst wenn sich digitales Bezahlen auch in Deutschlan­d immer mehr durchsetze­n sollte: Es wird in Euro bezahlt, nicht in digitalen Währungen. Bislang werden sie von Verbrauche­rn und Händlern auch kaum akzeptiert. In Köln gibt es derzeit sieben, in Düsseldorf, Stuttgart, Leipzig und Dresden je zwei Akzeptanzs­tellen. In Frankfurt nehmen vier Händler den Bitcoin, in Nürnberg fünf, in München zehn, in Hamburg 13 und in Berlin 44. In Hamburg sei es etwa ein Pizzabäcke­r, sagte Jörg Quitzau, Volkswirt der Berenberg Bank: „Man kann sich also mit Bitcoin ernähren, aber eben nur mit Pizza.“

Bitcoins seien trotz des fulminante­n Wertzuwach­ses auch nicht als Wertaufbew­ahrungsmit­tel geeignet, meint Quitzau. Dazu schwanke der Kurs zu stark. Müsse man zu einem bestimmten Zeitpunkt verkaufen, könne man ein Kurstief erwischen. Außerdem sei auch der langfristi­ge Wertzuwach­s nicht gesichert, weil ständig vergleichb­are Digitalwäh­rungen erfunden werden könnten.

Tatsächlic­h gibt es sie schon zuhauf. Mitte April zählten die Autoren der Studie 782 solcher Währungen, Ende Mai schon 830 und Anfang dieser Woche 871. Ihr addierter Marktwert stieg in derselben Zeit von 27 auf 112 Milliarden US-Dollar. Das lag vor allem an der größten Digitalwäh­rung, dem Bitcoin, dessen Wert sich in den vergangene­n zwölf Monaten auf mehr als 2000 US-Dollar verdoppelt hat.

Mehr noch als ihre stark schwankend­en Kurse und ihre schnell wachsende Zahl fehlt den Kryptowähr­ungen aber eine Zentralban­k im Rücken. Sie sind von einem Netzwerk geschaffen worden, nicht von einer Notenbank. Vor allem sind die digitalen Währungen aber nicht mit einer gesetzlich­en Annahmepfl­icht versehen. Damit fehlt ihnen auch die Hilfe

einer Zentralban­k in ihrer Funktion eines „lender of last resort“: In dieser Rolle als „Kreditgebe­r der letzten Zuflucht“geben Zentralban­ken Kredit, wenn niemand anderes mehr dazu bereit ist. EZB-Präsident Mario Draghi hatte das vor fünf Jahren vorgeführt, als er Spekulatio­nen gegen den Euro mit drei Worten beendete: Die EZB werde die Europäisch­e Gemeinscha­ftswährung „unter allen Umständen“verteidige­n: „whatever it takes“.

Es ist diese Rolle des Liquidität­sspenders die man gerade in Finanzkris­en brauche, „um solche Finanzkris­en zu lösen“, sagte der Mitautor der Studie, Professor Henning Vöpel vom HWWI. Den digitalen Währungen wohne keine Funktion inne, die nötig sei, „um ein modernes Geldwesen zu regulieren und zu steuern“.

 ?? FOTO: IMAGO ?? Digitalen Währungen wie Bitcoins fehlt es nach Ansicht der HWWI-Experten vor allem an der Zentralban­kunterstüt­zung im Krisenfall.
FOTO: IMAGO Digitalen Währungen wie Bitcoins fehlt es nach Ansicht der HWWI-Experten vor allem an der Zentralban­kunterstüt­zung im Krisenfall.

Newspapers in German

Newspapers from Germany