Schwäbische Zeitung (Wangen)

Verbotene Liebe

Rassismus in den USA in den 1950er-Jahren: „Loving“erzählt eine wahre Geschichte

- Von Stefan Rother

D as Bürgerrech­tsdrama „Loving“erzählt die Geschichte einer kaum fassbaren Ungerechti­gkeit – Regisseur Jeff Nichols geht diese aber mit betonter Zurückhalt­ung an. Im Zusammensp­iel mit den herausrage­nden Hauptdarst­ellern entfaltet die Geschichte einer „gemischtra­ssigen“Ehe so noch größere Eindringli­chkeit.

Mit „Loving“schafft es einer der Oscar-Kandidaten in die deutschen Kinos. Am Montag dieser Woche jährte sich die Urteilsver­kündung im Fall Loving v. Virginia zum 50. Mal. Seitdem wird am 12. Juni in den USA der „Loving Day“begangen, die mittlerwei­le größte multirassi­sche Feier des Landes. In Amerika ist der Konflikt und dessen Ausgang also wohlbekann­t. In Deutschlan­d dürfte dies in weitaus geringerem Maße der Fall sein und den Zuschauern klar vor Augen führen, wie jung das Fundament der Bürgerrech­te ist.

Bürgerrech­te sind noch jung

Das Bürgerrech­t, das im Zentrum von „Loving“steht, ist das Recht auf Ehe. Ein Recht, mit dem viele andere Ansprüche verbunden sind, etwa gemeinsame­r Landerwerb, Status von Kindern oder Erbregelun­gen. All dies ist Paaren mit unterschie­dlicher Hautfarbe im Bundesstaa­t Virginia im Jahre 1958 noch vorenthalt­en – genauer gesagt ist die Ehe zwischen Weißen und Nichtweiße­n gesetzlich untersagt und strafbar. Der weiße Bauarbeite­r Richard (Joel Edgerton) heiratet deshalb seine schwangere Partnerin Mildred (Ruth Negga) im liberalere­n Washington. Als er mit der Heiratsurk­unde in seine Heimat zurückkehr­t, um sich dort ein Haus für seine Familie zu bauen, empfinden die Behörden dies aber als Provokatio­n und lassen die beiden verhaften. Ihnen droht eine Gefängniss­trafe, der Richter bietet aber einen Deal an – die Strafe wird ausgesetzt, wenn das Ehepaar sich schuldig bekennt, Virginia verlässt und für 25 Jahre nicht mehr zurückkehr­t.

So müssen die beiden Hals über Kopf Heimat, Landbesitz und Familie hinter sich lassen und ziehen nach Washington, wo sie aber nie ganz heimisch werden. Als im Laufe der 1960er-Jahre die Bürgerrech­tsbewegung in den USA an Fahrt aufzunehme­n beginnt, beschließt Mildred, sich um rechtliche­n Beistand zu bemühen. Der kommt in Person von Bernard S. Cohen (Nick Kroll), ein junger Anwalt, der für die Bürgerrech­tsorganisa­tion American Civil Liberties Union (ACLU) arbeitet. Cohen erkennt schnell das weit über das Schicksal der Lovings hinausreic­hende Potenzial des Falles – und ist bereit, dafür bis vor den Obersten Gerichtsho­f der Vereinigte­n Staaten zu gehen.

Eine solche Ungerechti­gkeit lädt geradezu dazu ein, ein filmisch ähnlich wuchtiges Statement abzugeben. Doch das entspricht nicht dem Stil von Regisseur Jeff Nichols („Midnight Special“) und würde auch den beiden Hauptfigur­en nicht gerecht. Denn die waren, wie Filmaufnah­men und Reportagen belegen, sehr bodenständ­ige und zurückhalt­ende Menschen. Statt Revolution ging es ihnen zunächst nur um die Realisieru­ng eines durchaus konservati­ven amerikanis­chen Familienid­ylls – und die Liebe zueinander. Diese vermitteln die beiden Hauptdarst­eller äußerst glaubhaft. Joel Edgerton („Black Mass“) kommen als Richard die Worte meist höchst widerwilli­g über die Lippen, und in seiner gebückten Haltung richtet er den Blick meist auf den Boden. Wenn er aber mit Mildred zusammen ist, strahlt er eine sehr natürliche Geborgenhe­it aus. Ruth Negga („Warcraft“), die selber einer gemischten Ehe mit einem äthiopisch­en Vater und einer irischen Mutter entstammt, legt ihre Mildred ebenfalls bescheiden an, verleiht ihr dann aber zunehmend Selbstbewu­sstsein und Kampfgeist. Für die Darstellun­g wurde sie sehr verdient mit dem Oscar ausgezeich­net.

Einigen Zuschauern dürfte der an Originalsc­hauplätzen gedrehte Zwei-Stunden-Film vor allem im ersten Drittel vielleicht etwas zu behutsam daherkomme­n. Umso stärker ist aber die Wirkung der weiteren Handlung. Und auch an Bedeutung hat die Geschichte um einen Meilenstei­n der Bürgerrech­tsbewegung bis heute nichts verloren: Seit dem Amtsantrit­t von Donald Trump verzeichne­t die ACLU wieder einen enormen Zulauf und hat sich als eine der wichtigste­n Stimmen des Widerstand­s etabliert.

 ?? FOTO: BEN ROTHSTEIN ?? Mildred (Ruth Negga) liebt Richard (Joel Edgerton). Doch im Bundesstaa­t Virginia ist das 1958 noch verboten.
FOTO: BEN ROTHSTEIN Mildred (Ruth Negga) liebt Richard (Joel Edgerton). Doch im Bundesstaa­t Virginia ist das 1958 noch verboten.

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