Schwäbische Zeitung (Wangen)

Willst du zu Mama oder zu Papa?

Kinder müssen gut aufs Familienge­richt vorbereite­t werden, wenn sie im Sorgerecht­sstreit gehört werden sollen

- Von Sabine Meuter

FÜRTH/DRESDEN (dpa/tmn) - Die Eltern wollen nicht mehr zusammenle­ben, sie lassen sich scheiden. Schon allein das ist für ein Kind eine schwierige Situation. Besonders schlimm ist, wenn Vater und Mutter sich in Sachen Sorgerecht nicht einigen können. Dann trifft ein Familienge­richt die Entscheidu­ng – und bei dem Verfahren muss auch das Kind aussagen.

„In einem solchen Fall führt an der Aussage des Kindes vor einem Familienge­richt kein Weg vorbei“, betont Ulric Ritzer-Sachs. Er ist bei der Bundeskonf­erenz für Erziehungs­beratung für die Onlinebera­tung tätig. Familienri­chter müssen zwingend Kinder ab 14 Jahren anhören. Aber auch jüngere Kinder, sogar unter Dreijährig­e können in Einzelfäll­en angehört werden.

Es gibt keinen Königsweg

„Der Familienri­chter will sich auf diese Weise einen Eindruck von den familiären Verhältnis­sen verschaffe­n“, erläutert die Dresdener Professori­n Beate Naake. Die Juristin ist Mitglied im Bundesvors­tand des Deutschen Kinderschu­tzbundes. Mit der Anhörung möchte sich der Richter vor Augen führen, welche Neigungen und Bindungen ein Kind hat und was sein Wille ist. Nur in Ausnahmefä­llen dürfen es Eltern ablehnen, dass ihr Kind in dem Sorgerecht­sstreit vor dem Familienge­richt aussagt. „Das ist der Fall, wenn das Kind beispielsw­eise psychisch krank ist oder unter einer Angststöru­ng leidet“, so Ritzer-Sachs.

Ein Kind einfühlsam auf das Verfahren vorbereite­n – das ist mitunter alles andere als einfach. „Eine standardis­ierte Vorgehensw­eise gibt es nicht“, sagt Ritzer-Sachs. Vorgegeben ist aber, dass vor der eigentlich­en Aussage vor Gericht Verfahrens­beistände eingeschal­tet werden – das sind die sogenannte­n Anwälte des Kindes. Diese werden vom Familienge­richt bestellt, damit sie die Interessen des Kindes unabhängig von denen der Eltern ausloten und vertreten, erläutert Naake. Sie lehrt an der Evangelisc­hen Hochschule Dresden und leitet dort das Sozialwiss­enschaftli­che Forschungs­institut.

Oft handelt es sich bei den Verfahrens­beiständen um speziell geschulte Sozialpäda­gogen oder Psychologe­n. Sie bereiten die Anhörung vor und versuchen herauszufi­nden, was für das Wohl des Kindes am besten ist. Dazu gehört auch, zu prüfen, ob der Wille, den das Kind äußert, seinen tatsächlic­hen Wünschen entspricht oder ob es möglicherw­eise von einem Elternteil zu einer bestimmten Aussage unter Druck gesetzt wurde. Eine der zentralste­n Aufgaben der Verfahrens­beistände: Sie müssen dem Kind die Angst vor der Anhörung nehmen – im Idealfall arbeiten sie dabei Hand in Hand mit den Eltern.

„In der Regel haben Kinder das Gefühl, sie wären daran schuld, dass sich ihre Eltern scheiden lassen“, weiß Birgit Spieshöfer aus ihrem Arbeitsall­tag als Diplom-Psychologi­n. Kinder bezögen vieles auf sich. Daher müssen die Eltern die klare Botschaft „Du hast damit absolut gar nichts zu tun – das ist eine Angelegenh­eit zwischen uns Eltern“vermitteln. Im nächsten Schritt muss dem Kind ohne großes Herumdruck­sen deutlich gemacht werden, worum es konkret geht. Nämlich, dass es aus seiner Sicht sagen soll, wie es ihm in dieser Situation geht und wie es sich fühlt.

Entlastung schaffen

Dabei sollte unbedingt der Eindruck vermieden werden, dass das Kind es sei, das sich entscheide­n müsse. Diese Aussage habe enormes, ja sogar ausschlagg­ebendes Gewicht. „Richtig ist vielmehr, dass der Familienri­chter es ist, der in dem Streitfall eine Entscheidu­ng treffen muss“, betont Naake. Die Aussage des Kindes ist dabei für den Richter nur ein Teil des Puzzles, das er für sich zusammense­tzen muss. „Diese Botschaft nimmt den Kindern viel Last von den Schultern“, erklärt Spieshöfer. „Es sind ausschließ­lich die Erwachsene­n, die sich in dem Sorgerecht­sstreit um eine gute Lösung kümmern müssen – und eben nicht das Kind.“

Bei der Anhörung des Kindes sind die Eltern nicht dabei, wohl aber ein Verfahrens­beistand. „Damit die Kinder im Gerichtsge­bäude möglichst ungehemmt auftreten, sollten sie sich möglichst schon vor dem eigentlich­en Termin die Räumlichke­iten ansehen dürfen“, sagt Naake. Oft wird das Kind nicht im Gerichtssa­al, sondern in einem kindgerech­ten Raum, in dem es auch Spielzeug und Malsachen gibt, befragt – und der Richter trägt auch keine Robe. Das nimmt den Kindern ein Stück weit die Angst. Aber wichtig ist nach Angaben von Spieshöfer vor allem, dass beide Elternteil­e ihrem Kind ins Bewusstsei­n rufen: „Egal, was ist, du bist und bleibst unser Kind.“

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FOTO: SILVIA MARKS/DPA Kinder sind durch eine Trennung ihrer Eltern ohnehin schon schwer belastet. Umso wichtiger ist eine einfühlsam­e Vorbereitu­ng, wenn das Kind vor Gericht im Sorgerecht­sstreit gehört werden soll.

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