Schwäbische Zeitung (Wangen)

Geschwächt in die Brexit-Verhandlun­gen

- Von Sebastian Borger und dpa

uf britischer Seite gibt es im Vorfeld der ersten Verhandlun­gsrunde über Großbritan­niens EU-Austritt wenig Gewissheit­en. Diese eine gehört dazu: Als Leiter der Delegation wird heute BrexitMini­ster David Davis am Verhandlun­gstisch Platz nehmen. Mochte Premiermin­isterin Theresa May auch mit dem theatralis­chen Coup geliebäuge­lt haben, selbst den Vorsitz zu übernehmen, die Brandkatas­trophe von London dürfte ihr die Lust am Verlassen der Insel genommen haben. Es sähe zu sehr nach Flucht aus. Ein Bericht über ein angeblich geplantes Misstrauen­svotum aus den eigenen Reihen sorgt zudem für Verunsiche­rung.

Nun also soll Davis die harte Linie fahren, die seine Premiermin­isterin im jüngsten Wahlkampf vorgegeben hat. „Kein Deal ist besser als ein schlechter Deal“hat May im Wahlkampf stereotyp wiederholt und damit auf dem Kontinent Erstaunen hervorgeru­fen. Zwar gilt auch dort ein chaotische­s Ausscheide­n der Insel aus der EU ohne verbindlic­he Absprache als schwer zu verkraften. Katastroph­ale Folgen hätte es aber vor allem für die Briten selbst.

Die freundlich­ere Interpreta­tion der feindselig­en Rhetorik lautet deshalb: Die Briten wollten durch lautes Bellen ihre Schwäche überdecken: Neben akut anstehende­n Problemen sollte bislang auch von Anfang an ein zukünftige­r Freihandel­svertrag besprochen werden. Der ist nun bis spätestens diesen Herbst auf die lange Bank geschoben. Vom Tisch ist auch Londons Wunsch nach größtmögli­cher Geheimhalt­ung. Nun soll in Vier-Wochen-Zyklen verhandelt werden, an deren Ende jeweils die gemeinsame Präsentati­on der erzielten Ergebnisse steht.

Bisherige Pläne in der Downing Street sahen vor, dass Davis bereits heute eine „großzügige Regelung“für die Rechte der mindestens drei Millionen EU-Bürger im Land anbieten würde. Nun bleibt diese Geste wohl der Premiermin­isterin selbst vorbehalte­n, die am Donnerstag zum Brexit-Gipfel reisen will. In Brüssel wird man dabei aber sehr genau aufs Kleingedru­ckte achten. Unter anderem geht es um die zentrale Frage: Markiert der 29. März 2017 oder 2019 das Ende der 5-Jahres-Frist, die EUBürger auf der Insel verbracht haben müssen, um Anspruch auf dauerhafte­n Aufenthalt zu haben?

Wie die durchlässi­ge Landgrenze in Irland – zukünftig eine EU-Außengrenz­e – nach dem Brexit gehandhabt wird, bleibt eines der großen Rätsel. Zwar reden alle Seiten von einer „reibungslo­sen“Lösung. Der diesbezügl­iche Druck auf May ist aber stärker geworden, seit sie nach der verpfuscht­en Wahl auf die Parlamenta­rier der nordirisch­en Unionisten­partei DUP angewiesen ist. Wie sich dies mit dem harten Austritt aus Binnenmark­t und Zollunion vertragen soll, bleibt Mays Geheimnis.

Nun wenden sich angeblich auch die eigenen Leute von May ab. Wie die „Sunday Times“berichtet, geben Tory-Abgeordnet­e ihr nur noch zehn Tage Zeit, ihr Amt zu retten. Sollte sie ihr Programm nicht durch das Parlament bekommen, drohen die Konservati­ven mit einem Misstrauen­svotum. Er wisse nichts von einem solchen Komplott, sagte zwar ein Handelssta­atssekretä­r dem Sender Sky News. Die Partei stehe „geeint“hinter ihrer Chefin. Zumindest in dieser Klarheit darf dies aber bezweifelt werden.

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