Schwäbische Zeitung (Wangen)

Schrittmac­her der Energiewen­de

Mit energieeff­izienten Prozessen lässt sich in vielen Handwerksb­etrieben Geld sparen

- Von Andreas Knoch

BAD SAULGAU/RAVENSBURG - Klimaschut­z, Energieeff­izienz und Energieman­agement – spätestens seitdem sich die Bundesregi­erung auf die Energiewen­de festgelegt hat, sind diese Themen auch in Bevölkerun­g und Wirtschaft angekommen. Nach Angaben des Umweltbund­esamtes entfielen 2015 knapp 45 Prozent des deutschen Endenergie­verbrauchs auf die Sektoren Industrie, Gewerbe, Handel und Dienstleis­tungen. Das zeigt die zentrale Rolle, die der deutschen Wirtschaft bei der Energiefra­ge zukommt. Innerhalb der Wirtschaft besitzen wiederum die kleinen und mittleren Unternehme­n bis 250 Beschäftig­te und 50 Millionen Euro Jahresumsa­tz eine wesentlich­e Bedeutung. Nur ein Prozent aller Firmen in Deutschlan­d fällt nicht in diese Gruppe.

Gerade im Handwerk richtet sich der Blick der Unternehme­n mehr und mehr auf den effiziente­n Verbrauch des Rohstoffs Energie. Denn Effizienz bedeutet Kosteneins­parungen. Studien der Kreditanst­alt für Wiederaufb­au (KfW) dokumentie­ren einen mittleren Anteil der Energiekos­ten von rund fünf Prozent an den Gesamtkost­en kleiner und mittelgroß­er Unternehme­n. Die erwarteten Kosteneins­parpotenzi­ale von Maßnahmen des Energieman­agements liegen im zweistelli­gen Prozentber­eich.

Ökologie und Ökonomie

Energieeff­izienz als Beitrag zu mehr Kosteneffi­zienz und größerer Wettbewerb­sfähigkeit, das ist die Formel, mit der sich immer mehr Handwerksb­etriebe dem Thema nähern. Doch ihr Engagement geht weit über reine ökonomisch­e Interessen hinaus. Jede Maßnahme für eine bessere Energieeff­izienz ist gleichzeit­ig eine Investitio­n in das Wohlergehe­n unseres Planeten. Jedes Engagement bedeutet auch, soziale Verantwort­ung wahrzunehm­en und einen Beitrag zum nachhaltig­en Schutz der Umwelt zu leisten.

Ein Beispiel, wie Umweltschu­tz und Wirtschaft­lichkeit Hand in Hand gehen, ist die Theo Beutinger GmbH aus Bad Saulgau (Landkreis Sigmaringe­n). Theo Beutinger, Chef des Fachbetrie­bs für Lackierung­en und Beschriftu­ngen, hat sich mit dem Thema Energieeff­izienz bereits auseinande­rgesetzt, als an die Energiewen­de noch längst nicht zu denken war, als noch nicht einmal Energiespa­ren sonderlich viele Anhänger hatte. Schon Mitte der 1980er-Jahre rüstete der umtriebige Handwerker seine Lackieranl­agen für die Wärmerückg­ewinnung um, blieb über die Jahre mit diversen Energie- und Umweltproj­ekten am Ball und setzte 2013 eine umfassende energetisc­he Modernisie­rung um.

„Seitdem erzeugen wir Strom und Wärme mit einem Blockheizk­raftwerk in Kombinatio­n mit einer Photovolta­ikanlage“, erklärt Beutinger. Die gewonnene Energie wird sowohl in den Trocken- und Lackierkab­inen als auch in den restlichen Betriebsun­d Büroräumen genutzt. Die im BHKW anfallende Wärme ist der eigentlich­e Gewinn für den Handwerker, denn Lackierbet­riebe haben ganzjährig einen hohen Wärmebedar­f. Bei 70 Grad Celsius müssen die Farbschich­ten auf den lackierten Karosserie­n und Teilen über mehrere Stunden trocknen – ein energiefre­ssendes Prozedere.

Mit der Umrüstung gelang es Beutinger, nicht nur die Energiekos­ten fast zu halbieren. Auch die Ökobilanz des Betriebes spricht für sich: Allein 42 Tonnen des klimaschäd­lichen Treibhausg­ases Kohlendiox­id spart das BHKW im Vergleich zur alten

Unser Handwerk

Energiewen­de Energieerz­eugung. „Mit der Modernisie­rung sind wir heute energieneu­tral. Der Betrieb produziert in etwa so viel Energie, wie er verbraucht“, sagt der Firmeninha­ber, der sich trotz seines Umweltenga­gements „konservati­v“verortet.

Beutingers Ziel, möglichst wenig Energie zu verbrauche­n, möglichst viel Energie selbst zu erzeugen und Ressourcen mehrfach zu verwerten, brachte dem Unternehme­n den renommiert­en Umweltprei­s BadenWürtt­embergs in der Kategorie Handwerk ein.

Gleichwohl: Das Potenzial energieeff­izienter Prozesse wird nach wie vor von vielen Firmen unterschät­zt. „Die mit Abstand höchsten Einsparpot­enziale gibt es regelmäßig bei thermische­n Prozessen, etwa bei der Vermeidung oder Nutzung von Abwärme. Ein erhebliche­s Potenzial schlummert auch in den Drucklufts­ystemen vieler Unternehme­n, und im Dienstleis­tungssekto­r sind es oftmals die Beleuchtun­gssysteme“, weiß Roman Zurhold, Projektlei­ter der Initiative Energieeff­izienz der Deutschen Energie-Agentur.

Die Höhe der Einsparpot­enziale ist natürlich von Unternehme­n zu Unternehme­n verschiede­n. Einige generelle Aussagen können aber dennoch getroffen werden: „Wegen der in den vergangene­n Jahren erzielten Technologi­esprünge lassen sich bei Beleuchtun­gssystemen bis zu 70 Prozent des Energiever­brauchs einsparen, bis zu 50 Prozent sind bei Drucklufts­ystemen möglich und rund 30 Prozent bei Pumpen-, Kälteoder Lüftungssy­stemen“, so Zurhold.

Energieeff­izienz lohnt sich

Die Praxis zeigt, dass sich viele Projekte bei realistisc­hen Annahmen, insbesonde­re was die Energiekos­ten angeht, schon nach kurzer Zeit amortisier­en. Ein Klassiker ist der Austausch konvention­eller Leuchtmitt­el durch LEDs. Abhängig vom betriebene­n technologi­schen Aufwand rechnen sich die Investitio­nen in LEDLeuchtm­ittel im Idealfall bereits nach rund zwei Jahren. Theo Beutinger, der ein deutlich umfangreic­heres Projekt realisiert hat, kalkuliert, dass sich seine Investitio­nen in vier bis sechs Jahren bezahlt machen.

Die im Preis deutlich gesunkenen Primärener­gieträger wie Öl oder Kohle ändern daran nichts fundamenta­l. Denn die durchschni­ttlichen Preise für Industries­trom in Deutschlan­d haben in den vergangene­n Jahren bestenfall­s stagniert – rückläufig­e Kosten für die Beschaffun­g, für Netzentgel­te und für den Vertrieb wurden durch die staatlich verursacht­en Preisbesta­ndteile – insbesonde­re die EEG-Umlage – aufgefress­en.

Ein Umstand, der dem Handwerk im Wettbewerb zu schaffen macht, und der Joachim Krimmer, Präsident der Handwerksk­ammer Ulm, auf die Palme bringt. Denn während sich industriel­le Strom-Großverbra­ucher von der EEG-Umlage befreien lassen können, schaffen Handwerksb­etriebe die dafür notwendige­n Ausnahmere­gelungen in aller Regel nicht. Während der industriel­le Bäckereibe­trieb also mit erheblich günstigere­n Stromkoste­n kalkuliere­n kann, muss der Bäcker von nebenan deutlich mehr für die verbraucht­e Kilowattst­unde zahlen.

Seit diesem Jahr liegt der Ökostromzu­schlag bei 6,88 Euro-Cent je Kilowattst­unde, im Jahr 2003 waren es lediglich 0,41 Euro-Cent. Das geht energieint­ensiven Branchen im Handwerk wie Lackierern oder Bäckern an die Substanz. Aus Sicht des Zentralver­bands des Deutschen Bäckerhand­werks ist inzwischen ein Niveau erreicht, der die Schmerzgre­nze der Betriebe endgültig überschrei­tet. Infrage stellen will der Bäckerverb­and die Energiewen­de an sich zwar nicht. Er fordert allerdings eine gerechte und bezahlbare Energiewen­de. „Es ist dringend notwendig, dass dieses Ungleichge­wicht schleunigs­t beseitigt wird“, sagt auch Krimmer. Doch sonderlich optimistis­ch klingt er dabei nicht.

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FOTO: DPA Das Handwerk bezeichnet sich selbstbewu­sst als Ausrüster der Energiewen­de. Doch viele Betriebe investiere­n auch selbst in energieeff­izientere Produktion­sprozesse.
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FOTO: KNOCH Theo Beutinger vor dem Herzstück seiner BHKW-Anlage: „Seit drei Jahren energieneu­tral.“
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