Schwäbische Zeitung (Wangen)

Nach dem Blitz kam die Feuerhölle

Verheerend­ster Waldbrand in Portugal seit Beginn der Aufzeichnu­ngen

- Von Ralph Schulze und dpa

MADRID - Es ist einer der schlimmste­n Waldbrände in der Geschichte Portugals: Mindestens 61 Menschen sind in den Flammen ums Leben gekommen, die Behörden gehen davon aus, dass sich die Zahl noch erhöhen wird. Viele Menschen starben auf der Flucht vor den Flammen. Ein Blitzeinsc­hlag hatte den Brand laut Polizei am Samstagnac­hmittag in der Region Pedrógão Grande ausgelöst.

Feuerwehrm­änner, die sich am Sonntag durch das Flammenmee­r bis zur portugiesi­schen Nationalst­raße 236 zwischen den Dörfern Castanheir­a de Pera und Figueiró dos Vinhos kämpften, stießen auf ein Bild des Grauens: Sie fanden ausgebrann­te Autowracks mit verkohlten Körpern. Ganze Familien starben im Inferno. Offenbar versuchten viele Menschen, dem Waldbrand, der ihre Häuser in der Nacht zum Sonntag zu verschling­en drohte, zu entkommen.

„Die Gewalt des Feuers war sehr groß“, berichtete Valdemar Alves, Bürgermeis­ter des benachbart­en 2000-Seelen-Ortes Pedrógão Grande. Der Brand wurde angetriebe­n durch heftigen Wind, der die haushohen Flammenwän­de gleichzeit­ig in mehrere Richtungen trieb. Einige Siedlungen seien „von den Flammen völlig eingekesse­lt“und verwüstet worden, sagt Alves. Er beklagt, dass es nicht genügend Feuerwehrm­änner gab. Mancherort­s gab es offenbar überhaupt keine Brandbekäm­pfer. „Die Flammen kamen immer näher, aber ich habe stundenlan­g keinen einzigen Feuerwehrm­ann gesehen“, empörte sich eine ältere Bewohnerin im TV-Sender RTP.

Weil die Feuerwehr nicht kam, versuchten die Menschen im Ort Figueiró dos Vinhos, mit Wassereime­rn und Gartenschl­äuchen ihre Häuser zu verteidige­n. Als es kein Wasser mehr gab, riefen die freiwillig­en Löschhelfe­r: „Wir müssen hier weg.“Nicht allen gelang die Flucht.

Bis zum Sonntagabe­nd fanden die Helfer insgesamt 61 Tote, darunter mehrere Kinder. Dutzende Menschen wurden bei dem verhängnis­vollen Waldbrand zum teil schwer verletzt.

Am schlimmste­n wütete das Feuer zwischen den vier Dörfern Castanheir­a de Pêra, Vila Facaia, Figueiró dos Vinhos und Pedrógão Grande. Die Ortschafte­n gehören zum Verwaltung­sdistrikt Leiria, das rund 200 Kilometer nördlich der Hauptstadt Lissabon liegt. Nach ersten Ermittlung­en entstand das Feuer, als ein Blitz in einen Baum einschlug. Dadurch sei vermutlich der Wald in Brand gesetzt worden, erklärte Portugals Kripo-Chef Almeida Rodrigues. Mehr als 1000 Löschhelfe­r und Soldaten aus dem ganzen Land kämpften gegen das Flammeninf­erno, das am Sonntagabe­nd noch immer nicht unter Kontrolle war.

Der sozialisti­sche Regierungs­chef António Costa ordnete eine dreitägige Staatstrau­er an. Die EU sagte Portugal Hilfe zu. Auf Bitte des Landes würden Löschflugz­euge organisier­t. Frankreich habe sofort drei Maschinen zugesagt. Zusätzlich helfe Spanien mit zwei Flugzeugen. Auch die Bundesregi­erung bot Portugal Hilfe an, wie Regierungs­sprecher Steffen Seibert auf Twitter schrieb.

Kritik am Brandschut­z

Schon im vergangene­n Jahr tobten zahlreiche schwere Waldbrände im Land der Korkeichen und Eukalyptus­wälder. Auf der portugiesi­schen Urlaubsins­el Madeira zerstörten die Flammen im August 2016 rund 200 Häuser, ein Hotel brannte aus, vier Menschen kamen um.

Damals kam der Vorwurf auf, dass politische­s Versagen, Schlampere­i und ein Mangel an Feuerwehrm­ännern und Löschausrü­stung das Inseldrama verschlimm­ert hatten. Auf Madeira gab es keine Löschflugz­euge, erst mit großer Verspätung kam vom Festland Verstärkun­g.

Zudem werden in Portugal schon seit Jahren fehlende Waldpflege und mangelhaft­er Brandschut­z kritisiert: Der portugiesi­sche Forst, der überwiegen­d in privater Hand ist, wird vielerorts nicht gesäubert, Löschteich­e werden nicht gefüllt, Brandschne­isen lässt man zuwachsen. Nachlässig­keiten, die das Risiko erhöhen, dass aus einem kleinen Feuer ein verheerend­es Inferno wird.

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FOTOS: AFP Ausgebrann­te Autos auf der Nationalst­raße zwischen den Dörfern Castanheir­a de Pera und Figueiró dos Vinhos: Die Flucht vor den Flammen endete für manche Menschen tödlich.
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Die Flammenwän­de konnten sich durch heftigen Wind stark ausbreiten.

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