Chorgestühl im Kloster wird 300 Jahre alt
Heute gilt es als ein Meisterwerk barocker Schnitzkunst und Hauptwerk Macheins
BAD SCHUSSENRIED (sz) - Das barocke Chorgestühl von St. Magnus in Bad Schussenried gilt heute als das Hauptwerk des Bildhauers und Schnitzers Georg Anton Machein – und als ein Meisterwerk barocker Schnitzkunst. In diesem Jahr wird das Chorgestühl 300 Jahre alt. Heiligenfiguren, vom frommen Geist bewegt, dekorative Fabelwesen und schwungvolle Blattranken machen das barocke Gestühl zu einem Glanzpunkt der ehemaligen Prämonstratenserabtei Schussenried.
1715 kam Machein nach Schussenried, um mit seiner Werkstatt das neue Chorgestühl anzufertigen, nachdem er in der Prämonstratenserabtei Obermarchtal tätig gewesen war. Die Prämonstratenser in Süddeutschland standen in engem Kontakt und vermittelten einander häufig Künstler und Handwerker für anstehende Bauaufgaben. Im Schussenrieder Chorgestühl zeigt sich die ganze Meisterschaft des Holzbildhauers, der in souveräner Form sein Material beherrscht. Bei aller Detailfülle aus Figuren und dekorativen Elementen gelingt ihm eindrucksvoll die große Komposition des mächtigen Gestühls, das heute noch den Chorraum von St. Magnus einnimmt.
Der Chor war in jeder Klosterkirche der Bereich, zu dem nur die Mönche oder Nonnen Zutritt hatten. Hier trafen sie sich zum gemeinsamen Stundengebet. Das Chorgestühl diente ihnen während dieser Zeit als Sitzgelegenheit. Allzu gemütlich wurde es dabei nicht, denn während der Gesänge wurden die Sitzflächen nach oben geklappt, damit die Mönche, wie vorgeschrieben, stehend singen konnten. Das Chorgestühl verfügt meistens, wie in Schussenried, über zwei Sitzreihen, die sich an beiden Seiten des Chorraumes gegenüberstehen. Die hintere Reihe ist erhöht, die Rückenlehne der vorderen Reihe bildet ein Pult, um beispielsweise Bücher mit liturgischen Gesängen darauf ablegen zu können. Jeder einzelne Sitzplatz ist durch Trennwände, sogenannte Wangen, vom nächsten abgegrenzt.
Fantasievoll geschmückt
Georg Anton Machein bedeckte das Chorgestühl mit reichem Schnitzwerk voller Details. Je länger man hinsieht, desto mehr gibt es zu entdecken: fein gearbeitete Reliefs aus hellerem Lindenholz schmücken die hohen Rückenlehnen. Sie zeigen Szenen aus dem Marienleben und dem Leben Christi. Dazwischen platzierte Machein Skulpturen von insgesamt vierundzwanzig männlichen und weiblichen Ordensgründern. Unter ihnen ist auch der heilige Norbert von Xanten zu finden, der Gründer des Prämonstratenserordens. Das Gestühl wird bekrönt von filigranen Pflanzenornamenten und weiteren Skulpturen: Heilige und Selige mit besonderer Bedeutung für die Prämonstratenser. Unterhalb dieser religiösen Darstellungen hat Machein seiner Fantasie freien Lauf gelassen. Die Trennwände zwischen den einzelnen Sitzplätzen überziehen Fabelwesen, Tiere, Pflanzen und Musikanten. So groß ist die Fantasie des Schnitzers, dass sich im riesigen Gestühl kaum ein Motiv wiederholt.
Das neue Chorgestühl war Teil einer umfassenden Neugestaltung der Klosterkirche im 18. Jahrhundert. Statt zu Beginn des 18. Jahrhunderts ein ganz neues Kirchengebäude zu errichten, entschieden sich die Mönche für eine barocke Umgestaltung der gotischen Klosterkirche: Bei genauem Hinsehen lassen sich im Kirchenraum noch die mittelalterlichen Formen unter dem Überzug aus Stuck und Farben erkennen. Damals entstand auch das Chorgestühl, das bis heute nahezu unverändert erhalten geblieben ist; lediglich der Standort wurde 1932 verändert. Der warme Holzton mag in der Kirche mit ihrer lichten und überschwänglichen barocken Farbigkeit überraschen. Aber er entspricht der Tradition, denn schon seit dem Mittelalter beließ man die Chorgestühle holzsichtig. Möglicherweise war diese zurückhaltende Gestaltung eines für Menschen bestimmten Ortes ein Ausdruck von Demut, während Farbenpracht und Goldverzierungen den Altären und dem geweihten Raum vorbehalten blieben. Am Schussenrieder Chorgestühl sorgt die Verwendung der zwei Holzarten, dunkles Walnussholz und hellbraune Linde, für einen harmonischen und reizvollen Farbklang.
Geschichte in barockem Schmuck
Das Kloster Schussenried gehörte zum Orden der Prämonstratenser, der im 12. Jahrhundert in Frankreich gegründet worden war. Noch im gleichen Jahrhundert, 1183, stifteten zwei reiche Adlige aus Schussenried ihren Besitz dem aufstrebenden Orden und gründeten das Kloster. Die Prämonstratenser in Schussenried stiegen schnell zu großem Reichtum und Einfluss auf. Auf dem Höhepunkt seiner Macht unterstand das Kloster nur dem Kaiser; am Ende des 18. Jahrhunderts herrschte es über rund 3200 Menschen. Mit der Säkularisierung 1803 wurde das Kloster aufgelöst, die Gebäude kamen in Staatsbesitz. Zwischendurch als Gießereibetrieb und psychiatrische Anstalt genutzt, ist es heute, betreut und präsentiert von den Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, vor allem als Kunst- und Kulturzentrum bekannt. Barocke Kunstwerke wie die einstige Klosterkirche machen das Kloster zu einem wichtigen Anziehungspunkt an der Oberschwäbischen Barockstraße.